Rz. 189
Nicht immer spiegeln die Gebühren des RVG den Aufwand, die Schwierigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit wider. Zahlreiche aufwändige Streitigkeiten – gerade im Mietrecht – um die Prüfung von Betriebskostenabrechnungen oder Mieterhöhungen glänzen mit einem nahezu bescheidenen Gebührenaufkommen. Der Zwang zum wirtschaftlichen Denken macht es erforderlich, dass der Rechtsanwalt hier auf Vergütungsvereinbarungen hinwirken muss. Darüber hinaus ist mit dem Wegfall der Beratungs- und Gutachtergebühren aus dem Vergütungsverzeichnis des RVG der Rechtsanwalt aus seiner "Wohlfühlzone" geholt worden und ist nun gezwungen, das Thema "Aushandlung der Vergütung" mit dem Mandanten anzupacken.
Rz. 190
Dabei bietet die Vergütungsvereinbarung zahlreiche Vorteile. Nicht nur die Anpassung der Vergütung an Aufwand und Haftungsrisiko in einer Angelegenheit gehören zu den Vorzügen. Die Regelungen des RVG zu Gegenstandswerten und deren Änderung bei Klageerweiterungen, Rücknahmen und die Abhängigkeit von bestimmten Verfahrenshandlungen rücken die Vorhersage der entstehenden Gebühren in die Nähe des "Kaffeesatzlesens".
Mit einer sorgfältig erstellten Vergütungsvereinbarung können beide Parteien die entstehenden Kosten besser abschätzen. Streit um die Entstehung von Gebühren und deren Umfang wird bei einer klaren und deutlichen Vereinbarung vermieden. Dem Bedürfnis des Rechtsanwaltes nach einem Mindestgebührenaufkommen, nach einer Steigerung der Einnahmen bei umfangreichen Fällen, nach Berücksichtigung des Haftungsrisikos und des notwendigen Fachwissens wird Rechnung getragen. Der Mandant erfährt, welche Verhaltensweisen und Umstände Kosten auslösen und kann den Umfang vorher abschätzen. Er kann seine wirtschaftlichen Verhältnisse in die Verhandlung einfließen lassen.
I. Zulässigkeit von Vergütungsvereinbarungen
1. Formelle Voraussetzungen
Rz. 191
Die speziellen Formvorschriften des § 3a RVG gelten nur für Vergütungsvereinbarungen, die bestehende gesetzliche Vergütungen ersetzen sollen. Sie gelten nicht für die Vereinbarung der Vergütung von Tätigkeiten, für die keine gesetzlichen Gebühren geregelt werden. Die Kosten einer Beratung, eines anwaltlichen Gutachtens oder einer Mediation können daher stets ohne Beachtung der besonderen Formvorschriften vereinbart werden. Der einfache Schuldbeitritt eines Dritten zu den gesetzlichen Gebühren ist nicht an die Formvorschriften des § 3a RVG gebunden; nur bei Überschreitung der gesetzlichen Gebühren besteht der Formzwang. Dabei können beide Erklärungen in einer Vereinbarung enthalten sein.
Beispiel:
Rechtsanwalt Claas Lever schließt mit einem jungen Mandanten, der sich noch in der Lehre befindet, eine Vergütungsvereinbarung. Er ist sich nicht sicher, ob dieser die Vergütung wird bezahlen können. Im Beratungstermin ist jedoch auch die Erbtante des Mandanten anwesend. Diese unterzeichnet die Vergütungsvereinbarung mit dem Zusatz, dass sie gesamtschuldnerisch für die Kosten haften will. Entspricht die Vergütungsvereinbarung nun nicht den gesetzlichen Anforderungen, so haftet die Erbtante neben dem Mandanten, aber nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren. Soweit reicht ihre formwirksame Erklärung über den Schuldbeitritt. Die Vergütungsvereinbarung für die weiteren Kosten ist unwirksam.
Rz. 192
Die Vergütungsvereinbarung kann schriftlich oder in Textform geschlossen werden; § 3a RVG. Somit ist die Übermittlung per Fax, oder E-Mail oder als elektronisches Dokument stets ausreichend, sofern erkennbar ist, dass der Mandant der Vereinbarung zugestimmt hat. Auch die Vereinbarung über die zu erstattenden Auslagen bedarf der Textform.
Die Form sichert die Parteien auch auf der Ebene der Beweislastverteilung ab. Ohne oder im Fall einer formunwirksamen Vergütungsvereinbarung sind die gesetzlichen Gebühren geschuldet. Der Rechtsanwalt, der eine Vergütung oberhalb der gesetzlichen Gebühren geltend machen möchte, muss folglich das Vorliegen einer Vergütungsvereinbarung nachweisen. Der Mandant, der eine geringere, als die gesetzliche Vergütung einwenden möchte, trägt hierzu die Beweislast.
Rz. 193
Die Vergütungsvereinbarung muss als solche bezeichnet sein. Es reicht eine sinngemäße Bezeichnung aus; § 3a Abs. 1 S. 2 RVG. Dabei soll aber deutlich werden, dass die Vergütung abweichend von den gesetzlichen Gebühren vereinbart werden soll. So reicht auch die Bezeichnung "Honorarvereinbarung". Die Bezeichnung "Gebührenvereinbarung" ist problematisch, da hier die Abgrenzung zu den gesetzlichen Gebühren nicht deutlich genug hervortritt.
Die Textform ist nicht notwendig, wenn lediglich eine Beratung oder ein Gutachten beauftragt werden oder der Rechtsanwalt als Mediator tätig werden soll, § 3a Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 34 RVG. Auf diese Weise soll die mit der Abschaffung der Beratungsgebühren im RVG notwendig gewordenen Honorarverhandlungen erleichtert werden.
Rz. 194
Die Vergütungsvereinbarung darf nicht in der Vollmacht enthalten sein, § 3a Abs. 1 S. 2 RVG. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Vergütungsvereinbarung in Schriftstücken enthalten ist, die auch ande...