A. Einleitung
Rz. 1
Das Mandat in Ehewohnungs-, Haushalts- und Gewaltschutzsachen wirft eine Vielzahl von Fragen auf, ist insbesondere durch schwierige Abgrenzungsfragen gekennzeichnet und deshalb anspruchsvoll. Der Rechtsanwalt muss klären, ob der Mandant verheiratet ist oder, ob er in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt oder gelebt hat. Darüber hinaus muss er ermitteln, ob der Mandant mit dem Partner schriftliche oder (noch schwieriger festzustellen) mündliche Vereinbarungen getroffen hat. Diese Vorüberlegungen sind zwingend erforderlich – mit Ausnahme der Fälle, in denen es um Anordnungen nach § 1 Abs. 1 GewSchG geht und Täter und Opfer weder verheiratet sind noch in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft verbunden sind oder waren.
B. Grundsätzliche Überlegungen
I. Ehe oder nichteheliche Lebensgemeinschaft
Rz. 2
Der Rechtsanwalt muss bei der Mandatsannahme feststellen, ob der Mandant verheiratet ist, in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft lebt oder ob beides ausscheidet. Dies ist sowohl für Ehewohnungssachen, als auch für Haushaltssachen und überdies für Gewaltschutzsachen zwingend erforderlich.
II. Bestehende Vereinbarungen
Rz. 3
Nach der Bestimmung des rechtlichen Verhältnisses des Mandanten zu der oder den Personen, die ihm als Antragsteller oder Antragsgegner in dem beabsichtigten Verfahren gegenüberstehen, ist aufzuklären, ob schriftliche oder mündliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten bestehen und gegebenenfalls, welchen Inhalts diese sind. Vereinbarungen können entscheidenden Einfluss auf sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen haben.
C. Spezielle Überlegungen
I. Ehewohnungssachen
1. Erfasste Verfahren
Rz. 4
Es ist zu beachten, dass Ehewohnungssachen alle aber auch nur die von § 200 Abs. 1 FamFG erfassten Verfahren sind, also alle unter § 1361b (§ 200 Abs. 1 FamFG) und § 1568a BGB (§ 200 Abs. 2 FamFG) fallenden Verfahren.
Verfahren, die nicht von der Definition des § 200 Abs. 1 FamFG erfasst werden, sind keine Ehewohnungssachen, sondern entweder Familiensachen anderer Art (wie zum Beispiel Kindschaftssachen oder sonstige Familiensachen) oder überhaupt keine Familiensachen; es handelt sich dann häufig um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne von § 13 GVG, für die streitwertabhängig die allgemeinen Abteilungen für Zivilsachen der Amtsgerichte (§ 23 GVG) oder die Zivilkammern der Landgerichte (§ 71 Abs. 1 GVG) zuständig sind.
2. Abgrenzungsprobleme
Rz. 5
Bei den Ansprüchen auf Überlassung der Ehewohnung ist zu differenzieren zwischen dem Anspruch nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB, der den Zeitraum des Getrenntlebens der Ehegatten umfasst, und demjenigen nach § 1586a Abs. 1, Abs. 2 BGB, der den Zeitraum ab Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache erfasst. Sämtliche Ansprüche sind von den Ansprüchen nach § 2 Abs. 1 und Abs. 6 GewSchG abzugrenzen, da es sich bei diesen nicht um Ehewohnungssachen handelt, auch wenn eine Ehewohnung betroffen ist, sondern um Gewaltschutzsachen im Sinne von § 210 FamFG. Allein Verfahren nach § 1568a BGB können als Scheidungsfolgesache im Verbund geltend gemacht werden, § 137 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 FamFG.
Rz. 6
Der Anspruch gemäß § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung besteht während des Getrenntlebens und ist von den Ansprüchen gemäß § 1568a Abs. 4, Abs. 5 S. 1 BGB auf Begründung eines Mietverhältnisses abzugrenzen, die wiederum erst ab Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache gelten. Diese Anspruchsgrundlagen sind jeweils vom Anspruch gemäß § 745 Abs. 2 BGB abzugrenzen. Greift § 745 Abs. 2 BGB ein, handelt es sich nicht um eine Ehewohnungssache, sondern um eine sonstige Familiensache im Sinne von § 266 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 FamFG.
Rz. 7
Darüber hinaus ist der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens gemäß § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB insbesondere in einstweiligen Anordnungsverfahren von dem Anspruch aus § 861 BGB abzugrenzen.
3. Bestehende Vereinbarungen
Rz. 8
Im Bereich der Ehewohnungssachen bestehen besonders häufig vertragliche Vereinbarungen der Ehegatten, sowohl hinsichtlich der Verpflichtung zur Überlassung der Wohnung als auch hinsichtlich der zu entrichtenden Nutzungsvergütung.
Teilweise schließen die Ehegatten solche Vereinbarungen in notariellen Verträgen bereits anlässlich der Eheschließung, die in der Regel primär zum Ausschluss des gesetzlichen Güterstands und der Vereinbarung der Gütertrennung (§ 1414 S. 1 BGB) geschlossen werden, also in Eheverträgen im Sinne von § 1408 Abs. 1 BGB. Es besteht deshalb die Gefahr, dass dem Mandanten die in dem Ehevertrag enthaltenen Regelungen bzgl. Ehewohnung und Nutzungsvergütung für die Zeit des Getrenntlebens und ab Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache nicht mehr präsent sind und er sie aus diesem Grunde dem Rechtsanwalt nicht mitteilt. Es muss hier unbedingt eine ausreichende Dokumentation des Rechtsanwalts erfolgen, aus der sich ergibt, dass eine Aufklärung des Mandanten erfolgte, um Regressprozesse zu vermeiden.
Entsprechende Eheverträge schließen Ehegatten auch während bestehender Ehe, teilweise aus haftungsrechtlichen Gründen, teilweise, weil die Ehe in die Krise geraten ist.
In jüngerer Zeit enthalten Eheverträge, die anlässlich einer Ehekrise ode...