Florian Enzensberger, Maximilian Maar
I. Dekadentransfer, Rückfallklauseln
Rz. 22
Unter Umständen ist es geboten, die Verfügung von Todes wegen mit geeigneten anderen Maßnahmen zu begleiten. Hier ist beispielsweise an eine lebzeitige Vermögensübertragung zu denken, um die persönlichen Steuerfreibeträge nach Ablauf von 10 Jahren erneut ausschöpfen zu können (sog. Dekadentransfer). Zudem wirken sich derartige Maßnahmen auch friedensstiftend auf die Kinder aus, da diese bereits zu Lebzeiten wissen, welche Vermögensbestandteile ihnen zugewiesen werden. Durch die Möglichkeit der getrennten Substanz- und Nutzungszuweisung lassen sich für alle Beteiligten interessante Möglichkeiten gestalten. Gerade bei der Nachfolgeplanung für einen Geschiedenen sollte allerdings unbedingt daran gedacht werden, entsprechende Sicherungen einzubauen, um zu verhindern, dass der Ex-Ehegatte mittelbar über die Kinder auf das Vermögen zugreifen kann. So kann bspw. im Rahmen einer Immobilienübertragung mit Rückfallklauseln für den Fall des Vorversterbens des Erwerbers oder Weitergabe des Objekts zu Lebzeiten des Übergebers gearbeitet werden.
II. Pflichtteilsverzicht
Rz. 23
Gemäß §§ 2346, 2348 BGB können Abkömmlinge oder Ehegatten (auch Eltern) des Erblassers durch einen notariellen Vertrag auf ihren Pflichtteil verzichten (siehe auch § 3 Rdn 8). Der Pflichtteilsverzicht stellt eine ideale Störfallvorsorge dar und kann auch in Kombination mit einem Übergabevertrag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge abgeschlossen werden.
Praxishinweis
Sofern zu Lebzeiten bereits erhebliche Vermögensbestandteile auf die Abkömmlinge transferiert werden, sollte in aller Regel ein Pflichtteilsverzicht bzw. zumindest ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht vereinbart werden. Dadurch wird die "Störquelle Pflichtteilsanspruch" schon zu Lebzeiten ausgeschlossen.
Rz. 24
Wenn der Verzichtende kein Entgelt für seine Verzichtserklärung erhält, sollten dessen Interessen dennoch in angemessener Weise Berücksichtigung finden. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der verzichtende Abkömmling bindend (siehe § 3 Rdn 26) zum Schlusserben eingesetzt wird, wenn er auf seinen Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil verzichtet. Der Pflichtteilsverzicht müsste dann unter der Bedingung der Schlusserbeneinsetzung abgeschlossen werden. Bei einer derartigen Gestaltung liegt es in der Hand des länger lebenden Elternteils, ob er den Pflichtteil zahlen will, um das Kind zu unterstützen oder steuerliche Freibeträge zu nutzen, oder nicht. Der Pflichtteilsanspruch muss auch nicht sofort nach dem Todesfall geltend gemacht werden, sondern kann auch noch nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 2332 BGB mit steuerlicher Wirkung vereinbart werden.
Formulierungsbeispiel
Wir, die Kinder A, B und C, verzichten nach dem Tode unseres erstversterbenden Elternteils mit Wirkung für unsere Abkömmlinge auf alle Pflichtteilsansprüche nach den §§ 2303 ff. BGB. Dieser Verzicht wird unter der Bedingung abgegeben, dass wir zu je ⅓ bindend zu Schlusserben eingesetzt werden. Im Einvernehmen mit dem überlebenden Elternteil soll jedoch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zulässig sein. Ferner ist eine Abfindungsvereinbarung für den Verzicht auf die Geltendmachung des entstandenen Pflichtteilsanspruchs nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zulässig.
Die Eltern X und Y nehmen den Pflichtteilsverzicht hiermit an.
III. Ehevertragliche Gestaltungen
Rz. 25
Ferner sollte überdacht werden, ob es bei dem bestehenden Güterstand verbleiben kann oder ob gegebenenfalls ein anderer Güterstand vorteilhafter wäre. Der richtige Güterstand kann je nach Familienstruktur zu einer geminderten Pflichtteilsquote und zu einem zusätzlichen Erbschaftsteuerfreibetrag führen (§ 5 ErbStG).
IV. Vermögensumgestaltungen
Rz. 26
Schließlich gilt es zu überprüfen, ob nicht Vermögensumgestaltungen für die Beteiligten von Vorteil sind. Befindet sich bspw. das gesamte Familienvermögen nur in der Hand eines Ehegatten, kann es ratsam sein, Teile davon auf den anderen Ehegatten zu transferieren, um die Ausschöpfung der steuerlichen Freibeträge zu sichern. So kann ein Ehegatte eine im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums gelegene, eigengenutzte Immobilie nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei zu Lebzeiten auf den anderen Ehegatten übertragen. Bei einer derartigen Übergabe zu Lebzeiten an den Ehegatten ist ausdrücklich keine zehnjährige Behaltensfrist zu beachten!
Zwar ist auch die Zuwendung eines Familienwohnheims in beliebiger Form auf den Ehegatten oder Lebenspartner von Todes wegen steuerfrei möglich (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). Das Gleiche gilt für Kinder und Kinder vorverstorbener Kinder, allerdings nur bis zu einer Obergrenze von 200 m2 Wohnfläche (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). In beiden Fällen ist aber eine Behaltensfrist von 10 Jahren zu beachten, die nur aus zwingenden Gründen verletzt werden darf. Gerade im Hinblick auf die Übertragung von Familienwohnheimen auf Kinder wird dies allerdings ...