Florian Enzensberger, Maximilian Maar
1. Pflicht zur Willensermittlung
Rz. 42
Von zentraler Bedeutung ist sowohl für den anwaltlichen Berater als auch den Notar, den wahren Willen des Mandanten zu ermitteln. Die Pflicht zur Willenserforschung obliegt dem Notar persönlich. Er darf diese Pflicht nicht auf andere Personen delegieren. Diese Pflicht soll gewährleisten, dass Wille und Erklärung übereinstimmen und Irrtümer und Zweifel vermieden werden (§ 17 Abs. 1 S. 2 BeurkG).
2. Belehrungspflicht des Notars
Rz. 43
In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, ob der Notar den geschiedenen Erblasser darüber belehren muss, dass der frühere Ehegatte möglicherweise über die gemeinsamen Kinder an dem Nachlass des Erblassers teilhaben kann. Grundsätzlich ist die Belehrungspflicht des Notars über die rechtliche Tragweite und Bedeutung des Geschäfts auf Umstände begrenzt, die für das Zustandekommen einer rechtswirksamen Urkunde erheblich sind (§ 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG). Die weitere Erbfolge nach den letztwillig Bedachten stellt lediglich eine mittelbare rechtliche Folge der Verfügung von Todes wegen dar und hat somit keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Testaments. Folglich ist der Notar nicht verpflichtet, diesbezüglich zu belehren.
3. Erweiterte Belehrungspflicht des Notars
Rz. 44
Eine erweiterte Belehrungspflicht des Notars folgt allerdings aus der allgemeinen Betreuungspflicht, die dem Notar als Amtsträger der vorsorgenden Rechtspflege obliegt. Hiernach ist der Notar verpflichtet, den Mandanten vor nicht bedachten Folgen seiner Erklärungen zu bewahren bzw. hierüber aufzuklären. Diese Pflicht verstärkt sich immer dann, wenn sich dem Notar aufdrängen muss, dass dem Mandanten aus einer bestimmten Sach- und Rechtslage Schaden droht. Ein geschiedener Erblasser wird sich regelmäßig nicht der Gefahr der Teilhabe seines früheren Ehegatten am Nachlass über die gemeinsamen Kinder bewusst sein. Folglich hat der Notar in derartigen Fällen jeweils über die weitere Erbfolge nach den Bedachten aufzuklären.
4. Grundsatz des sichersten Weges
Rz. 45
Darüber hinaus wird verlangt, dass der Notar, als Ausfluss der allgemeinen Betreuungspflicht, auch erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zum langfristigen Ausschluss bestimmter Personen von der Teilhabe am Nachlass aufzeigt und darstellt. Hierbei ist der Grundsatz des "sichersten Weges" zu beachten. Bestehen mehrere Gestaltungsmöglichkeiten, so muss der Notar für die Beteiligten den sichersten Weg mit den geringsten rechtlichen Risiken aufzeigen. Oberstes Gebot ist es, Auslegungsstreitigkeiten, rechtlich zweifelhafte Regelungen und hieraus entstehende Gerichtsverfahren zu vermeiden. Stets ist dem sicheren Weg auch der Vorrang vor einer eventuellen Kostenersparnis einzuräumen. Der BGH hat für Notare normiert, dass sie den "sichersten und gefahrlosesten Weg" einzuschlagen haben, diese Verpflichtung aber später auf den "relativ sichersten Weg" reduziert.
5. Belehrungs- und Beratungspflichten des Rechtsanwalts
Rz. 46
Für den Rechtsanwalt gelten die gleichen umfassenden und erschöpfenden Belehrungs- und Beratungspflichten. Diese ergeben sich hier aus dem Beratungsvertrag (§ 675 BGB). Der Anwalt hat grundsätzlich in jedem Fall sämtliche Lösungswege und Gestaltungsvarianten darzulegen und den Mandanten den sichersten Weg aufzuzeigen.
Hierzu gehört auch ohne Zweifel die Pflicht, den geschiedenen Erblasser darüber zu belehren, dass der frühere Ehegatte unter Umständen mittelbar über die gemeinsamen Kinder an dem Nachlass des Erblassers partizipieren kann.
Rz. 47
Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt unabhängiger Berater und Vertreter des Mandanten. Über die Art und Weise der Beratung gibt das Gesetz jedoch keine Anhaltspunkte. Lediglich in § 1 BRAO ist verankert, dass der Rechtsanwalt unabhängiges Organ der Rechtspflege ist. Als solches ist der Rechtsanwalt gehalten, die sich widersprechenden Interessen auszugleichen und dafür Sorge zu tragen, dass eine den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Regelung gefunden wird.
6. Praktikabilität
Rz. 48
Des Weiteren hat der erbrechtliche Berater stets der einfachen Lösung den Vorzug vor einer komplizierten Lösung zu geben. Dies gründet zum einen darauf, dass der Mandant als Laie den Inhalt seiner eigenen Verfügung von Todes wegen noch nachvollziehen und verstehen kann. Zum anderen liegt natürlich die Gefahr in komplexen Lösungsvarianten, dass diese später nicht verstanden und falsch ausgelegt werden.