Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 53
Gerade im Hinblick auf die Frage, welche Verfügungen wechselbezüglich sein sollen oder nicht (siehe auch § 3 Rdn 34 ff.), kommt der Belehrungspflicht des Beraters immense Bedeutung zu. Der Mandant, als juristischer Laie, ist in aller Regel nicht in der Lage, wechselbezügliche von nicht wechselbezüglichen testamentarischen Anordnungen zu unterscheiden. Die Belehrung hat sich darauf zu beziehen, dass wechselbezügliche Verfügungen nur zu Lebzeiten des anderen Ehegatten widerrufen werden können (§ 2270 BGB) und dass der Widerruf der notariellen Beurkundung und des Zugangs an den anderen Ehegatten bedarf (§§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB). Den Mandanten muss klargemacht werden, dass es in ihrer Hand liegt, ob gewisse Verfügungen wechselbezüglich sind oder nicht bzw. ob der überlebende Ehegatte die Schlusserbfolge nochmals ändern darf. Die nach dem Tod eines Ehegatten eintretende Bindungswirkung mit ihren sehr weit reichenden Auswirkungen ist dem Mandanten eindringlich vor Augen zu führen.
Rz. 54
Für den anwaltlichen Berater stellt sich bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten noch ein zusätzliches Problem. Der Rechtsanwalt bleibt bei der Beratung in Erbangelegenheiten immer Interessenvertreter. Er ist nicht überparteilich tätig. § 43a Abs. 4 BRAO verbietet dem Anwalt ein Tätigwerden bei widerstreitenden Interessen. Normalerweise stehen bei Ehegatten, die sich gemeinsam in die Beratungen eines Rechtsanwalts begeben, übereinstimmende Vorstellungen. Vorsicht geboten ist allerdings für den Berater immer dann, wenn Interessenkollisionen auftreten. Für diesen Fall ist der Anwalt dann nämlich verpflichtet, für beide Eheleute das Mandat niederzulegen.
Differenzen treten meistens im Hinblick auf Wiederverheiratungsklauseln auf oder bei der Frage, ob der länger lebende Ehegatte die Schlusserbfolge nochmals ändern darf. Dieses Problem intensiviert sich insbesondere bei Patchworkehen. Die Problemstellung liegt meistens darin, dass einer der Ehegatten oder beide Ehegatten Kinder aus ersten Beziehungen mit in die Ehe bringen und diese im Rahmen der Schlusserbfolge bedenken wollen, der andere Ehegatte hiermit allerdings nicht einverstanden ist. Noch dramatischer wird die Situation, wenn nur einer der Ehegatten wesentliches Vermögen mit in die Ehe bringt und sicherstellen will, dass nur seine leiblichen Kinder an diesem Vermögen teilhaben sollen. Hier ist äußerste Vorsicht und auch Fingerspitzengefühl gefragt (zu diesem Problemkreis siehe auch § 3 Rdn 30 ff.).
Zu Beginn des Mandats muss der Rechtsanwalt darüber aufklären, dass er Streitfragen nicht entscheiden darf. Er muss die Vor- und Nachteile der bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten objektiv darstellen. Können sich die Ehegatten nicht auf eine Variante einigen, muss der Rechtsanwalt das Mandat niederlegen.