Florian Enzensberger, Maximilian Maar
A. Einleitung
Rz. 1
Eine optimale Vermögensnachfolgeplanung sollte sich selbstverständlich nicht nur auf eine Verfügung von Todes wegen beschränken. Eine vernünftige Vorsorgeplanung stellt eine langfristige Koordination des Vermögensübergangs unter Berücksichtigung steuerlicher und zivilrechtlicher Belange dar, wobei der Wille des Erblassers selbstverständlich immer im Vordergrund steht. Im Rahmen einer solchen Nachfolgeplanung erfüllt die erbrechtliche Verfügung eine Absicherungsfunktion. Sie soll dazu dienen, die Vermögensnachfolgeplanung abzurunden und den (häufig überraschend eintretenden) Todesfall abzusichern. In den letzten Jahren hat sich auch in Deutschland der Begriff des "estate planning" etabliert. Gemeint sind damit die Erfassung der kompletten persönlichen und finanziellen Gesamtsituation des Erblassers und die langfristige, strategische Umsetzung der Wünsche und Absichten des Erblassers unter Berücksichtigung aller steuerlichen und zivilrechtlichen Belange. Vollendet wird die Planung durch eine in das Gesamtbild des Vermögens des Erblassers passende, in sich stimmige, Verfügung von Todes wegen. Gerade im Fall von Geschiedenen und Patchworkehen stellt eine solche Gestaltung hohe Anforderungen an den erbrechtlichen Kautelarjuristen.
B. Ermittlung der Ausgangssituation
Rz. 2
Die Erarbeitung einer letztwilligen Verfügung setzt eine detaillierte Kenntnis des Sachverhalts durch den Berater voraus. Der Berater kann bei Erfassung des Sachverhalts gar nicht penibel und kleinlich genug vorgehen. Nur die exakte Kenntnis des Sachverhalts garantiert letztendlich eine erfolgreiche Mandatsführung. Die Ermittlung der Ausgangslage wird i.d.R. einen Großteil des Zeitaufwandes des Mandats beanspruchen. Der Berater sollte sich hierzu sämtliche notwendigen Dokumente vorlegen lassen oder selbst beiziehen.
Praxistipp
Aus haftungsrechtlichen Gründen sollte dem Mandanten vor Gestaltung der Verfügung von Todes wegen der ermittelte Sachverhalt nochmals schriftlich überlassen werden mit der Bitte um Durchsicht und ggf. Korrektur. Nur so kann der Berater später nachweisen, von welchen Voraussetzungen er bei der Nachfolgeplanung und Erstellung der Verfügung von Todes wegen ausgehen durfte.
Die Sachverhaltserfassung kann im Wesentlichen in drei Bereiche gegliedert werden:
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Erfassung der persönlichen Verhältnisse des Erblassers |
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Erfassung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Erblassers |
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Erfassung der Wünsche und Absichten des Erblassers. |
I. Erfassung der persönlichen Verhältnisse des Erblassers
Rz. 3
Zu Beginn der Mandatsaufnahme sollte der Berater zunächst immer einen Familienstammbaum erstellen. Der Stammbaum versetzt den Berater in jeder Phase des Mandats in die Lage, einen schnellen Überblick über die am Verfahren beteiligten Personen zu gewinnen. Zudem können die Erbquoten und Pflichtteilsquoten aus dem Stammbaum heraus schneller ermittelt werden. Dies gilt umso mehr bei Patchworkfamilien, da gerade dort die persönlichen Verhältnisse unübersichtlich sein können.
Rz. 4
Egal um welche am Verfahren beteiligten Personen es sich handelt (Erben, Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer, Auflagenbegünstigte), stets sollte wenigstens Name, Vorname, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort und der derzeitige Wohnsitz erfasst werden.
Rz. 5
Ebenso wichtig ist auch die Feststellung der Güterstände. In zivilrechtlicher Hinsicht haben diese erheblichen Einfluss auf die Höhe der Erbquote. Aber auch steuerlich kann der Güterstand Auswirkungen haben (§ 5 ErbStG).
Rz. 6
Abschließend ist auch immer die Frage der Staatsangehörigkeit zu klären, weil sich das Erbrechtsstatut nach der Staatsangehörigkeit richtet (Art. 25 EGBGB) und auch das Güterrechtsstatut der Staatsangehörigkeit folgt (Art. 14, 15 EGBGB). Auch wenn die Staatsangehörigkeit klar erscheint, so sollte dennoch immer genau danach gefragt werden, um später unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Rz. 7
Zu beachten ist hierbei, dass die EuErbVO für alle ab 17.8.2015 eingetretenen Erbfälle gilt. Die internationale Zuständigkeit für erbrechtliche Streitigkeiten wird gem. Art. 4 EuErbVO den Gerichten des Staates zugewiesen, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Zuständigkeit ist grundsätzlich ausschließlich. Allenfalls dann, wenn der Erblasser die Erbfolge durch Rechtswahl gem. Art. 22 EuErbVO seinem Heimatrecht unterstellt hatte, ergeben sich Möglichkeiten, die Sache gem. Art. 7 EuErbVO an die Gerichte des Heimatstaates zu verweisen. Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzstaates kann beispielsweise dann, wenn der Erblasser im Ausland verstorben ist, seine Familienangehörigen und sein Nachlass sich jedoch im Heimatstaat befinden (z.B. der "Mallorca-Rentner"), zu unangenehmen Folgen für die Hinterbliebenen führen, weil im Ausland möglicherweise kein effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht und/oder mit der Rechtsdurchsetzung ein hoher Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist.
Rz. 8
Gemäß Art. 21 EuErbVO wird das auf die Erbfolge anwendbare Recht an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpf...