I. Abgeltungsbereich des RVG
Rz. 77
Anspruchsgrundlagen des anwaltlichen Vergütungsanspruchs finden sich im BGB, dort: Geschäftsbesorgungsvertrag §§ 611, 675 BGB. Nur in Ausnahmefällen, wie z.B. für die Erstellung eines Gutachtens, ist von einem Werkvertrag auszugehen. Vergütungsschuldner ist der Auftraggeber.
Ausnahmen: Anspruchsgrundlage des Pflichtverteidigers, im Rahmen der PKH/VKH beigeordneten RA und des Beratungshilfe gewährenden RA durch §§ 44, 45, 55 RVG; hier richtet sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse.
Einige Sonderbestimmungen des RVG verdrängen das BGB, so z.B. § 8 (Fälligkeit), § 9 (Vorschuss), § 10 (Einforderbarkeit), § 11 Abs. 7 (Sondertatbestand zur Verjährungshemmung).
Rz. 78
Wer nach RVG abrechnen kann, bestimmt § 1 Abs. 1 RVG (und ergänzend § 5 RVG). Hier findet sich auch die Legaldefinition für den Begriff der Vergütung (Gebühren und Auslagen). Nach RVG können damit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihre anwaltliche Tätigkeit abrechnen. Dies gilt auch für eine Tätigkeit als Prozesspfleger nach den §§ 57 u. 58 ZPO, § 118e BRAO, 103b Patentanwaltsordnung oder § 111c Steuerberatungsgesetz. Andere Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Partnerschaftsgesellschaften und sonstige Gesellschaften stehen nach § 1 Abs. 1 S. 3 RVG einem Rechtsanwalt im Sinne des RVG gleich.
Rz. 79
§ 1 Abs. 2 RVG zählt eine Reihe von Tätigkeiten auf, für welche das RVG nicht gilt. Die Vorschriften des RVG finden somit keine Anwendung, wenn ein RA/eine RAin bzw. eine Berufsausübungsgesellschaft in einer der dort aufgezählten oder ähnlichen Rolle tätig wird. Es handelt sich hier teils um ehrenamtliche Tätigkeiten, die von allen Staatsbürgern und daher auch von einem RA in der Regel unentgeltlich zu übernehmen sind (z.B. Vormund) bzw. um Tätigkeiten, die auch Nicht-Rechtsanwälten übertragen werden und deren Vergütung nach besonderen Vorschriften (z.B. § 1877 Abs. 3 BGB) festgesetzt werden. § 1 Abs. 2 RVG benennt folgende Tätigkeiten: Syndikusrechtsanwalt (§ 46 Abs. 2 BRAO), Vormund, Betreuer, Pfleger, Verfahrenspfleger, Verfahrensbeistand, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Sachverwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses, Restrukturierungsbeauftragter, Sanierungsmoderator, Mitglied des Gläubigerbeirats, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter, Treuhänder, Schiedsrichter oder eine ähnliche Tätigkeit. Dabei bleiben § 1877 Abs. 3 BGB u. § 4 Abs. 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes unberührt, siehe § 1 Abs. 2 S. 3 RVG. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. So kann insbesondere eine Tätigkeit wie z.B. Durchführung der Abnahme einer Wohnung (Hausverwaltertätigkeit) oder Suche von Käufern für ein Haus (Maklertätigkeit) unabhängig von den berufs- oder steuerrechtlichen Fragen nicht nach RVG abgerechnet werden. Hier ist auch verstärkt darauf zu achten, dass es durch Aufnahme solcher ggf. als gewerblich einzustufenden Tätigkeiten nicht zu einer steuerlichen "Infizierung" und damit zur Gewerbesteuerpflicht führen.
II. Gebührenarten
Rz. 80
Bei den anwaltlichen Gebühren werden verschiedene Gebührenarten unterschieden.
1. Wertgebühren
Rz. 81
Die Wertgebühren sind in § 13 RVG geregelt. Das RVG erhält zu § 13 Abs. 1 eine Anlage 2, aus der sich in einer Tabelle die Gebühren entnehmen lassen. Wird der RA als VKH-Anwalt tätig und rechnet er mit der Staatskasse ab, richten sich seine Gebühren nach der Tabelle zu § 49 RVG, wenn der Gegenstandswert 4.000,00 EUR übersteigt.
2. Rahmengebühren
a) § 14 RVG
Rz. 82
Bei Rahmengebühren muss der Rechtsanwalt die Höhe seiner Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nach billigem Ermessen selbst bestimmen. Man unterscheidet Betragsrahmengebühren und Satzrahmengebühren. Betragsrahmengebühren finden sich zum Beispiel bei den Straf- und Bußgeldsachen, so z.B. die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 44,00 bis 396,00 EUR, aber auch sozialrechtliche Angelegenheiten, bei denen sich die Gebühren nicht nach Wert richten, da sie gerichtskostenfrei sind und eine Wertfestsetzung daher durch das Gericht nicht erfolgt, § 3 RVG. Ein Beispiel für eine Satzrahmengebühr ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von 0,5 bis 2,5. Satzrahmengebühren sind zugleich auch immer Wertgebühren.
b) Kriterien zur Ausübung des Ermessens/Kammergutachten
Rz. 83
Unter welchen Kriterien eine Rahmengebühr bestimmt wird, regelt § 14 Abs. 1 RVG. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt (und nicht der Mandant!) die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem
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Umfang der Angelegenheit, |
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Schwierigkeit der Angelegenheit, aber auch |
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Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie |
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Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers |
Ein besonderes Haftungsrisiko kann bei der Bemessung herangezogen werden und bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, es ist grundsätzlich zu berücksichtigen.
Rz. 84
In § 5 Rdn 165 ff. dieses Werks wird zur Bemessung einer Geschäftsgebühr in Familiensachen umfassend ausgeführt.
Rz. 85
Gibt es in einem Rechtsstreit Streit über die Höhe der Vergütung, hat (nicht kann!) das Gericht ein Kammergutachten e...