Rz. 53
Die Abgrenzung nach dem Regelungsgegenstand bedarf einer weiteren Spezifizierung, da die Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten ja bereits durch das familiare Ordnungsrecht geregelt sind.
1. Vereinbarung des gesetzlichen Güterstands
Rz. 54
Ein Ehevertrag, der lediglich wiederholt, was sowieso im Gesetz steht, regelt im Grunde nichts.
Rz. 55
Beispiel
M und F schließen erstmals einen Ehevertrag und vereinbaren:
"Für unsere Ehe soll der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelten."
Dieser Satz regelt nichts, denn § 1363 BGB bestimmt bereits: "Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft".
Anders liegt es, wenn M und F vorher Gütertrennung vereinbart hatten:
"Wir heben den am … vereinbarten Güterstand der Gütertrennung auf und vereinbaren, dass für unsere Ehe ab dem heutigen Tag der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelten soll".
Rz. 56
Ein Vertrag, in welchem der Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart wird – auch unter Verwendung anderer Formulierungen wie "bestätigen", "feststellen", "anerkennen" usw. – hat nur deklaratorische Bedeutung, zeitigt keine rechtlichen Auswirkungen und ist daher kein Ehevertrag. Dies wäre bei der erneuten (zweiten) Vereinbarung desselben Wahlgüterstands nur dann anders, wenn das erste Rechtsgeschäft der Form des § 1410 BGB ermangelte oder aus anderen Gründen nicht gültig gewesen wäre und dies mit dem zweiten Ehevertrag behoben würde (siehe hier im Einzelnen zu Bestätigung nach § 141 BGB, § 8 Rdn 36).
Rz. 57
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt nicht vor. Das Reichsgericht hat die Frage aufgrund der zu entscheidenden Einzelfallumstände dahingestellt sein lassen. Es hat jedoch folgende Überlegung anklingen lassen: Die besondere Bedeutung einer solchen Vereinbarung liege darin, dass der gesetzliche Güterstand nicht kraft Gesetzes, sondern kraft Vertrages Gültigkeit erlange. Von dem zirkulären Aspekt dieser Argumentation abgesehen erschließt sich nicht, wie sich dieses für die Ehegatten auswirken soll, worin also der Unterschied besteht, das "Mehr", welches auf dem Vertragsweg erreicht würde.
Die Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung:
Rz. 58
Beispiel
Die Verlobten M und F vereinbaren privatschriftlich:
Im Falle einer Eheschließung und nachfolgender Trennung verpflichten wir uns gegenseitig, das Doppelte des gesetzlichen Trennungsunterhalts zu zahlen, soweit der eigene Selbstbehalt nicht berührt wird.
Für unsere Ehe soll der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelten.
Rz. 59
Handelte es sich um einen Ehevertrag i.S.v. § 1408 Abs. 1 BGB, wäre dieser wegen Verstoßes gegen § 1410 BGB nichtig (§ 125 BGB), wobei unter den gegebenen Voraussetzungen auch die Unterhaltsvereinbarung gefährdet wäre (bei Teilnichtigkeit im Zweifel Gesamtnichtigkeit, § 139 BGB).
2. Vom familiaren Ordnungsrecht abweichende, dieses gestaltende Vereinbarungen
Rz. 60
Daraus folgt, dass ein Ehevertrag das familiare Ordnungsrecht des 4. Buches des BGB, soweit dieses die Ehewirkungen betrifft, für die einzelne Ehe gestaltet, indem er
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unter vorgefundenen gesetzlichen Regelungen wählt (das gilt insbesondere für die Wahlgüterstände), |
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sie modifiziert (etwa den Trennungsunterhalt über das gesetzliche Maß hinaus erhöht) |
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oder ausschließt (etwa den gesetzlichen Güterstand) |
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oder unabhängig vom familiaren Ordnungsrecht Rechtspositionen neu begründet, etwa im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung außerhalb des gesetzlichen Güterrechts. |
Rz. 61
Zu beachten ist, dass gesetzliche Regelungen vorgefunden werden, die nicht nur für Eheleute gelten, sondern z.B. für nicht miteinander verheiratete Paare.
Rz. 62
Beispiel: § 1627 BGB
"Die Eltern haben die elterliche Sorge … in gegenseitigem Einvernehmen auszuüben."
Die Vorschrift gilt unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht.
Nur wenn sie zum Zeitpunkt des vereinbarten Geltungszeitraums miteinander verheiratet sind, können entsprechende Vereinbarungen Gegenstand eines Ehevertrages sein.
3. Über das familiare Ordnungsrecht hinausgehende Vereinbarungen
Rz. 63
Soweit von der Gestaltung des gesetzlichen familiaren Ordnungsrechts im Rahmen eines vertraglichen familiaren Ordnungsrechts gesprochen wird, gilt dies nicht zwingend auch für die Ergänzung des Erstgenannten. Auch ohne einen Ehevertrag sind die Ehewirkungen und Scheidungsfolgen im Gesetz nur lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig geregelt. Daher werden ohnehin allgemeine Vorschriften, insbesondere im sog. Nebengüterrecht, herangezogen. Gelten aber bereits ohne Ehevertrag ergänzende allgemeine Vorschriften, ist ein Vertrag, der in diesen Bereich gestaltend eingreift, nicht allein deshalb Ehevertrag.
Rz. 64
Hinweis
Ehevertrag ist nicht zwingend auch die anderweitige vermögensrechtliche Gestaltung, insbesondere in verpflichtender oder dinglicher Weise, auch wenn diese Regelung einen Bezug zur Ehe oder zur Scheidung hat.
Rz. 65
Beispiel
M und F, die sich scheiden lassen wollen, haben durch Mitarbeit der F im Unternehmen des M und ihr dortiges finanzielles Engagement (sie hat M ihre Erbschaft zur Anschaffung von Betriebsmitteln überlassen) konkludent eine Eh...