a) Beauftragung durch eine Erbengemeinschaft
Rz. 77
Nicht selten wird der Rechtsanwalt durch mehrere Erben beauftragt, sie im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu unterstützen. Eine gleiche Situation ergibt sich bei der Beauftragung des Rechtsanwalts zur Vertretung mehrerer Erben gegen einen Testamentsvollstrecker. Auch wenn in derartigen Situationen häufig gerade zu Beginn des Mandats durchaus Einvernehmen zwischen den in der gleichen Sache beteiligten Mandanten besteht, kann sich dies im Verlauf der Bearbeitung sehr schnell ändern. So kann sich z.B. aus einer im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach §§ 2055 ff. BGB durchzuführenden Ausgleichung dann doch das Vorliegen von widerstreitenden Interessen ergeben. Gleiches kann sich auch im Zusammenhang mit einem zur Durchführung der Auseinandersetzung notwendigen Verkauf eines Grundstücks ergeben, also wenn hinsichtlich des Kaufpreises oder des Käufers Streit zwischen den Erben auftritt. Auch über die einzelnen Zeitpunkte von lebzeitigen Zuwendungen kann wegen der in § 2329 Abs. 3 BGB enthaltenen Regelungen, wonach sich ein Anspruch zunächst gegen den zuletzt Beschenkten richtet, schnell Streit ergeben und ein zunächst bestehendes Einvernehmen unter den Mandaten in das Gegenteil umschlagen. Nachdem der Rechtsanwalt bei Auftreten dieser zunächst nicht zu erwartenden Interessenkollision bzw. des Vorliegens widerstreitender Interessen gezwungen sein könnte, alle in diesem Zusammenhang vorliegenden Mandate zu beenden und er damit in der Regel auch seinen Vergütungsanspruch verliert, ist grundsätzlich bei der Annahme von Mandaten mehrerer Erben zu größter Vorsicht zu raten.
Praxishinweis
Jedenfalls wird vom Rechtsanwalt zu fordern sein, dass er bei Vertretung mehrerer Mitglieder einer Erbengemeinschaft bereits bei Mandatsannahme alle Mandanten auf die Gefahr des Eintritts einer Interessenkollision und die daraus möglichen Folgen der Beendigung aller Mandate hinweist.
b) Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter
Rz. 78
Auch bei der Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter ist das Entstehen einer Interessenkollision nicht auszuschließen. Zwar besteht zwischen Pflichtteilsberechtigten, die jeweils durch eine testamentarische Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, regelmäßig Einvernehmen hinsichtlich des Vorgehens gegen den/die Erben, jedoch kann sich auch hier wegen nach § 2316 BGB ausgleichungspflichtiger und bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigender Vorempfänge Streit ergeben. Gleiches ergibt sich schließlich bzgl. der Frage von Vorempfängen, die bei dem einen Mandanten zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB und bei dem anderen Mandanten zusätzlich aber zu einer Anrechnung nach § 2327 BGB führen.
Praxishinweis
Auch in diesen Fällen, in denen zunächst das Auftreten einer Interessenkollision auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheint, sollte bereits im Rahmen der Mandatsannahme bzw. Aufklärung des Sachverhalts genau die Frage des Vorliegens ausgleichungspflichtiger Vorempfänge geprüft werden. Auch wenn das Vorliegen einer Interessenkollision zunächst bei Mandatsannahme fern liegt, sollte, soweit der Rechtsanwalt sich zur Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter entschließt, dennoch ein Hinweis an alle Mandanten zur Folge einer ggf. auftretenden Interessenkollision obligatorisch sein.
c) Beratung von Ehegatten bei der Gestaltung eines gemeinschaftlichen Testaments bzw. Ehegattenerbvertrags
Rz. 79
Grundsätzlich besteht bei Mandaten, bei denen die Ehegatten den Rechtsanwalt mit einer Beratung oder Gestaltung einer gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen beauftragen, Einvernehmen zwischen den Ehegatten und die Beratung zur Abfassung eines Ehegattentestaments wird gemeinhin für zulässig erachtet. Die Ehegatten erscheinen in den meisten Fällen gemeinsam beim Rechtsanwalt und haben sich bereits gemeinsame übereinstimmende Vorstellungen über ihre zu treffenden Anordnungen gebildet. Aufgrund der Beratung des Rechtsanwalts treten dann aber nicht selten Interessengegensätze auf. Dies kann sich z.B. aus der Beratung über Pflichtteilsansprüche von Abkömmlingen aus einer früheren Ehe oder Partnerschaft eines Ehegatten oder Pflichtteilsrechten von Eltern bei Fehlen von Abkömmlingen ergeben. Auch die Frage der Bindung des überlebenden Ehegatten hinsichtlich einer Schlusserbeneinsetzung birgt die Gefahr, dass erst im Rahmen einer entsprechenden anwaltlichen Beratung die Ehegatten erkennen, dass ihre zunächst angenommen Vorstellungen doch nicht in vollem Umfang übereinstimmen. Auch wenn in derartigen Fällen dann letztlich unter Vermittlung des Rechtsanwalts bzw. bei entsprechender Darstellung der Gestaltungsmöglichkeit doch eine Einigung zwischen den Ehegatten erzielt werden kann, muss der Rechtsanwalt in diesen Fällen großes Augenmerk darauf richten, dass der Wille und die Gestaltungswünsche des jeweiligen Ehegatten tatsächlich im Gestaltungsvorschlag entsprechend Niederschlag gefunden haben.
d) Beratung der Parteien eines Übergabevertrags
Rz. 80
In der Beratung von Parteien bei lebze...