Rz. 330
Ein Abwickler kann für die Kanzlei eines verstorbenen Rechtsanwalts (§ 55 Abs. 1 BRAO) oder für einen früheren Rechtsanwalt bestellt werden, dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen, zurückgenommen oder widerrufen ist (§ 55 Abs. 5 BRAO), ebenso für eine Rechtsanwalt-GmbH, die ihre Zulassung verloren hat (§ 59h Abs. 6 BRAO). Die Tätigkeit eines Abwicklers betrifft keinen Fall des Zusammenwirkens mehrerer Rechtsanwälte. Vielmehr werden die Rechtsanwälte nacheinander tätig (vgl. Rdn 337 ff.). Gerade im Fall des § 55 Abs. 5 BRAO lassen sich Überschneidungen jedoch nicht ausschließen. Der Abwickler ist i.d.R. längstens für ein Jahr zu bestellen (§ 55 Abs. 1 Satz 4 BRAO). Ihm obliegt es gem. § 55 Abs. 2 BRAO, die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln. Er führt die laufenden Aufträge fort; innerhalb der ersten sechs Monate ist der Abwickler auch berechtigt, neue Aufträge anzunehmen (§ 55 Abs. 2 Satz 2 BRAO). Ihm stehen die anwaltlichen Befugnisse zu, die der verstorbene bzw. frühere Rechtsanwalt hatte (§ 55 Abs. 2 Satz 3 BRAO). Der Abwickler gilt für die schwebenden Angelegenheiten als von der Partei bevollmächtigt, sofern diese nicht für die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat (§ 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO). Einzelne Vorschriften des § 53 BRAO werden durch § 55 Abs. 3 BRAO für entsprechend anwendbar erklärt.
Rz. 331
Die Bestellung zum Abwickler begründet eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur ordnungsgemäßen und zweckentsprechenden Abwicklung der Kanzlei des früheren Rechtsanwalts. Diese Verpflichtung besteht ausschließlich ggü. der Rechtsanwaltskammer.
Rz. 332
Im Verhältnis zum früheren Rechtsanwalt und dessen Mandanten richten sich die Rechte und Pflichten des Abwicklers ausschließlich nach privatrechtlichen Grundsätzen. Wie die Verweisung in § 55 Abs. 3 BRAO auf bestimmte Regelungen des § 53 BRAO zeigt, weist die Stellung des Abwicklers Parallelen zu der des amtlich bestellten Vertreters auf. Die Tätigkeiten unterscheiden sich im Wesentlichen rechtlich nicht: Während der amtlich bestellte Vertreter die Kanzlei auf eine bestimmte Zeitdauer fortführt, ist die Abwicklung einer Kanzlei auf die Beendigung der Mandate ausgerichtet. Nicht selten wird zunächst ein amtlich bestellter Vertreter berufen, der später zum Abwickler bestellt wird. Sowohl der Abwickler wie auch der Vertreter werden zwar in eigener Verantwortung, aber für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig (§ 55 Abs. 3, § 53 Abs. 9 Satz 1 BRAO). Herausgabeansprüche der der Mandanten (§ 667 BGB) richten sich gegen den ehemaligen Rechtsanwalt, in dessen Interesse, für dessen Rechnung und auf dessen Kosten der Abwickler tätig ist, ohne allerdings an dessen Weisungen gebunden zu sein (§ 55 Abs. 3, 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO). Das Verhältnis des Abwicklers zu dem früheren Rechtsanwalt richtet sich damit nach denselben Grundsätzen wie das Innenverhältnis des amtlich bestellten Vertreters zum Vertretenen (vgl. Rdn 327).