Rz. 28
In engem Zusammenhang mit den Voraussetzungen für einen stillschweigenden Abschluss eines Anwaltsvertrages steht die Abgrenzung einer vertraglichen Vereinbarung von einer sog. Gefälligkeit, bei der ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille fehlt. Allgemein wird eine außerrechtliche Gefälligkeit eines Rechtsberaters in rechtlich relevanten Angelegenheiten die Ausnahme sein.
Eine Gefälligkeit setzt begriffsnotwendig die Unentgeltlichkeit der Leistung voraus. Aus der Unentgeltlichkeit der Leistung allein lässt sich jedoch nicht auf das Fehlen ihres rechtsgeschäftlichen Charakters schließen. Dies zeigt die Regelung für Verträge, die eine Gefälligkeit zum Gegenstand haben (§§ 516, 598, 662 oder 690 BGB). Auch bei einer "pro bono Rechtsberatung" ist trotz deren Unentgeltlichkeit offensichtlich, dass ein Anwaltsvertrag zustande kommt, der den allgemeinen Haftungsgrundsätzen unterliegt. Andererseits ist auch § 675 Abs. 2 BGB zu beachten. Danach begründet die auf einer reinen Gefälligkeit beruhende Erteilung eines Rates oder einer Empfehlung vorbehaltlich einer Verantwortlichkeit aus einem Vertragsverhältnis oder aus einer unerlaubten Handlung keine Schadensersatzverpflichtung. Auch der Erfahrungssatz, dass Rechtsanwälte ihre Leistungen regelmäßig nur gegen eine Vergütung erbringen (vgl. § 612 Abs. 1 BGB) kann als Indiz dafür gesehen werden, dass es sich bei unentgeltlichen Tätigkeiten grds. um solche ohne Rechtsbindungswillen handelt. Auch der Empfänger wird im Allgemeinen davon ausgehen müssen, dass dem Rechtsberater für diese unentgeltlichen Leistungen keine Haftung abverlangt werden kann. Gefälligkeiten des täglichen Lebens halten sich regelmäßig außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs. Das Gleiche gilt für Gefälligkeiten, die im rein gesellschaftlichen Verkehr wurzeln. Die Umstände der Gefälligkeit, also deren Art, Zweck sowie wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung für den Empfänger und die sich daraus ergebende Interessenlage der Parteien können die Gefälligkeit über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben.
Der Wert einer anvertrauten Sache, die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, können auf einen rechtlichen Bindungswillen schließen lassen. Eine Auskunft, die im Rahmen einer Geschäftsverbindung erteilt wird, muss auf rechtlich verpflichtender Gewissenhaftigkeit beruhen. Für einen Rechtsbindungswillen spricht es i.d.R., wenn der Leistende selbst ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der dem Begünstigten gewährten Hilfe hat.
Rz. 29
Kein Rechtsbindungswille ist anzunehmen bei einer Raterteilung in "gemütlicher" Runde, beim Kartenspiel oder beim unverbindlichen Gespräch unter Freunden. Demgegenüber ist auszuschließen, dass der Rechtsanwalt eine telefonische Auskunft nur gefälligkeitshalber erteilt haben könnte, wenn diese für einen bevorstehenden Grundstücksverkauf von erkennbar erheblicher Bedeutung und zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse bestimmt war, der Erteilende für die in Rede stehende steuerliche Auskunft als besonders sachkundig anzusehen war und eine bereits anderweitig bestehende mehrjährige Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger vorlag.
Ein Vertragsverhältnis ist ebenfalls zustande gekommen, wenn sich der Rechtsanwalt auf telefonische Anfrage des sich im Ausland aufhaltenden Rechtsuchenden bereit erklärt, zu ermitteln, um welchen Vorgang es sich bei einem durch Niederlegung zur Post zugestelltes Schriftstück handelt. Dabei hatte ein vom Rechtsuchenden mitgeteiltes B-Aktenzeichen auf ein Mahnverfahren hingedeutet. Der Rechtsanwalt musste deshalb damit rechnen, dass die niedergelegten Sendungen nicht unwesentliche rechtliche und wirtschaftliche Interessen des Rechtsuchenden berührten. Dann aber war für die Annahme einer nicht rechtsgeschäftlichen Gefälligkeitsabrede kein Raum.
Rz. 30
Die Übernahme vertraglicher Pflichten wurde auch daraus abgeleitet, dass der Rechtsanwalt den Rechtsuchenden seit mehr als zehn Jahren anwaltlich in anderen Sachen beraten hatte und nunmehr in einer neuen Sache, bei der für den Rechtsuchenden erhebliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel standen, für diesen die Korrespondenz übernommen und ihn in Verhandlungen vertreten hatte. Keine Bedeutung hatte dabei der Umstand, dass der Rechtsanwalt unentgeltlich tätig geworden war.
Rz. 31
Das Tätigwerden eines Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt in der Berufungsinstanz wurde nicht mehr als bloße Gefälligkeit gewertet, als dieser – nach vorangegangener Vertretung des Rechtsuchenden bei außergerichtlichen Verhandlungen und nach Entwurf der Schriftsätze sowie Betätigung als Verkehrsanwalt in der ersten Instanz – in der Berufungsinstanz weiterhin den gesamten Schriftverkehr der Prozessbevollmächtigten mit dem Rechtsuchenden vermittelt hatte. Erneut wurde der Umstand für unerhebl...