Rz. 487
Die Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen auf einen Höchstbetrag durch Vereinbarung im Einzelfall ist in § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO geregelt.
a) Haftung für Fahrlässigkeit
Rz. 488
Nach § 52 Abs. 1 BRAO kann der Anspruch auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens beschränkt werden. Die Haftung des Rechtsanwalts für Vorsatz kann nicht im Voraus beschränkt werden (§ 276 Abs. 2 BGB). § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO enthält im Gegensatz zu § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO keine Einschränkung auf Fälle einfacher Fahrlässigkeit. Daraus folgt, dass durch eine Vereinbarung im Einzelfall die Haftung nicht nur für einfache, sondern auch für grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden kann.
Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, die Haftung wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen könne auch durch Vereinbarung im Einzelfall nicht beschränkt werden. Andernfalls würde "dieser extreme Randbereich einer Falschberatung zukünftig noch mit dem Bonus der Haftungsbeschränkung belohnt". Diese Ansicht widerspricht dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck des Gesetzes. Sie missachtet den Grundsatz der Privatautonomie. Die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, die im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutiert worden war, ist hinzunehmen. Der Auftraggeber wird dadurch geschützt, dass er bei einer im Einzelfall auszuhandelnden Haftungsbeschränkung dem Anliegen des Rechtsanwalts nicht zustimmen muss und von dessen Beauftragung ganz absehen kann.
Das setzt allerdings voraus, dass in denjenigen Fällen, in denen eine Haftungsbeschränkung auch für grob fahrlässige Pflichtverletzungen vereinbart wird, eine ausreichende Aufklärung eines rechtlich unerfahrenen Mandanten über die sich aus der Haftungsbeschränkung ergebenden Risiken und das Ausmaß seines möglichen Rechtsverlusts erfolgt.
b) Vereinbarung im Einzelfall
Rz. 489
Die Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung "im Einzelfall" wird dadurch erschwert, dass der die Klausel verfassende Rechtsanwalt – abgesehen von einer Wiederholung des Gesetzeswortlauts – von § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO wenig Gestaltungsspielraum hat. Umso wichtiger ist es bei der Ausgestaltung, die Vorgaben der Rechtsprechung an eine "Vereinbarung im Einzelfall" zu beachten.
Eine "Vereinbarung im Einzelfall" i.S.d. § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist negativ von einer Vereinbarung durch "vorformulierte Vertragsbedingungen" i.S.d. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO abzugrenzen. Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung fallen auch vorformulierte Haftungsbeschränkungen unter § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO, wenn sie im Einzelfall erfolgen. Diese Ansicht widerspricht nicht nur dem bereits dargelegten Willen des Gesetzgebers, sondern auch der gesetzlichen Systematik, die einen Gegensatz zwischen einer Vereinbarung im Einzelfall (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) und einer Vereinbarung durch vorformulierte Vertragsbedingungen aufstellt. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO ist danach lex specialis zu § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO. Eine vordergründig allein auf den Wortlaut des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO abstellende Argumentation greift demgegenüber zu kurz.
Rz. 490
Der Begriff "vorformulierte Vertragsbedingungen" ist an die Terminologie in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie des Rates 93/13/EWG v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen angepasst. Die gleiche Formulierung enthält auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Im Gegensatz zu § 305 Abs. 1 BGB setzt § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO nicht voraus, dass die Vertragsbedingung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Eine vorformulierte Vertragsbedingung liegt in Anlehnung an § 305 Abs. 1 BGB insb. vor, wenn die Haftungsbeschränkung in vorgedruckten Formularen verwendet wird, auch wenn unselbstständige Textteile wie etwa Namen oder die Höhe der Haftungsbeschränkung nachträglich individuell ausgefüllt werden.
Rz. 491
Demgegenüber liegt eine "Vereinbarung im Einzelfall" in Anlehnung an § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vor, wenn die Haftungsbeschränkung im Einzelnen zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt ist. Zur Auslegung der Formulierung "Vereinbarung im Einzelfall" in § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO kann auf die Rechtsprechung zu § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zurückgegriffen werden. Danach ist eine Klausel im Einzelfall ausgehandelt, wenn die Gegenseite des Verwenders den Inhalt mit beeinflusst hat bzw. mit beeinflussen konnte. Ein Indiz für ein individuelles Aushandeln könne sich daraus ergeben, dass im vorformulierten Vertragstext nachträglich Änderungen eingefügt worden sind. Aushandeln i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeute andererseits nicht, dass die vom Verwender der AGB vorformulierte Bestimmung tatsächlich abgeändert oder (mit weiterem Regelungsinhalt) ergänzt worden sei. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Auch bei einem unveränderte...