Rz. 310
Zwischen dem angestellten Rechtsanwalt bzw. freien Mitarbeiter und dem Mandanten kommt kein Vertragsverhältnis zustande. Vertragsbeziehungen bestehen nur zu dem vom Auftraggeber eingeschalteten Rechtsanwalt. Der Erfüllungsgehilfe eines Rechtsanwalts haftet im Außenverhältnis dem Mandanten i.d.R. nicht.
Anderes gilt, wenn der Eindruck erweckt wird, dass der angestellte Rechtsanwalt Gesellschafter einer Sozietät sei (Scheinsozius). Dann wird auch er selbst bei Tätigkeitsbeginn nach Vertragsabschluss als Vertragspartner behandelt und sieht sich eigener Haftung ggü. dem Auftraggeber ausgesetzt.
Rz. 311
Ausnahmsweise wird eine eigene vertragliche Ersatzpflicht des Erfüllungsgehilfen (vgl. § 13 Rdn 4 ff.) bejaht, wenn die Vertragsverletzung nicht in einer eigentlichen Leistungsstörung, sondern in einer Verletzung von Nebenpflichten besteht und der Erfüllungsgehilfe bei der Anbahnung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses für sich Vertrauen in Anspruch genommen hat. Mittlerweile richten sich diese Fälle nach § 311 Abs. 3 BGB. Nur bei einem Schaden durch die Verletzung einer nebenvertraglichen Schutzpflicht, nicht aber durch eine Schlechterfüllung der hauptsächlich geschuldeten Beratungspflicht kann der Gehilfe ausnahmsweise als "Sachwalter" dann selbst haften, wenn er gleichsam in eigener Sache tätig wird, d.h. er als Erfüllungsgehilfe in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder dem Vertragsgegenstand besonders nahe steht, weil er wirtschaftlich selbst stark am Vertragsschluss interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt. Eine eigene Haftung des Vertreters ist nur gerechtfertigt, wenn er über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgegangen ist, das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer gegeben ist oder vorhanden sein sollte. Der Vertreter muss dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für den Bestand und die Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts geboten haben, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam war. Dies kann etwa bei einer außergewöhnlichen Sachkunde oder bei großer persönlicher Zuverlässigkeit des Vertreters der Fall sein. Allein der Hinweis auf diejenige Sachkunde, die für die übernommene Tätigkeit ohnehin erforderlich ist, erweckt kein besonderes Vertrauen in diesem Sinne.
Rz. 312
An den vorbeschriebenen Anforderungen für eine Eigenhaftung des angestellten Rechtsanwalts bzw. freien Mitarbeiters wird es regelmäßig fehlen, wenn er am Abschluss des Anwaltsvertrages nicht beteiligt ist.
Eine eigene vertragliche Haftung des angestellten Rechtsanwalts kann sich allerdings aus dessen Beiordnung im Wege der PKH (vgl. Rdn 192 ff.) ergeben, jedenfalls dann, wenn er im Einverständnis mit der Partei tätig wird.
Rz. 313
Die Rechtsprechung zur Eigenhaftung des Vertreters wegen eigenen wirtschaftlichen Interesses am Vertragsschluss kann nicht aufrechterhalten werden, nachdem sie der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH für die Eigenhaftung des Vertreters (im entschiedenen Fall des GmbH-Geschäftsführers) weitgehend aufgegeben hat. Der für die Anwaltshaftung zuständige IX. Zivilsenat hatte auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht festhalte. Die Rechtsprechung zur Eigenhaftung des Vertreters wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens bleibt hiervon unberührt. Unberührt bleibt auch eine deliktsrechtliche Haftung des angestellten Rechtsanwalts bzw. freien Mitarbeiters.
Rz. 314
Ggü. dem vertretenen Rechtsanwalt haftet der angestellte Rechtsanwalt nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln. Eine entsprechende Einschränkung der Haftung des freien Mitarbeiters ggü. dem vertretenen Rechtsanwalt ist gesetzlich nicht vorgesehen, sondern bedarf ggf. einer (konkludenten) Vereinbarung. Hat der vertretende Rechtsanwalt Haftungsbeschränkungen mit dem Auftraggeber vereinbart, kommen diese auch dem angestellten Rechtsanwalt bzw. freien Mitarbeiter zugute.
Haftet der angestellte Rechtsanwalt dem Auftraggeber aus einem eigenständigen Vertragsverhältnis das er im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit begründet hat, steht ihm insoweit ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber-Rechtsanwalt zu.