Rz. 360
Die Haftung des in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwalts (im Folgenden: des deutschen Rechtsanwalts) richtet sich grds. nach deutschem Recht. Danach kann dem Rechtsanwalt ein Verschulden des hinzugezogenen ausländischen Anwalts unter den Voraussetzungen des § 278 BGB als eigenes Verschulden zuzurechnen sein. Analog § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der deutsche Rechtsanwalt nur ein Verschulden bei der Übertragung des Auftrags auf den ausländischen Anwalt zu vertreten, wenn diese gestattet ist. In tatsächlicher Hinsicht ist zu unterscheiden, ob der Rechtsanwalt den ausländischen Kollegen nur intern einbezieht oder als Vertreter im Namen des Mandanten beauftragt. Im ersten Fall kommt ein Vertrag zwischen den Anwälten, im zweiten zwischen dem ausländischen Anwalt und dem Mandanten des deutschen Rechtsanwalts zustande.
Rz. 361
Zur Haftung des Rechtsanwalts bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Anwälten gibt es kaum Rechtsprechung. Mit einschlägigen Präzedenzfällen haben sich das RG sowie das OLG Bamberg befasst.
Rz. 362
In dem vom RG entschiedenen Fall sollte ein deutscher Patentanwalt ein Warenzeichen des Mandanten in Argentinien verlängern. Der Patentanwalt übertrug die Ausführung des Auftrags einem Patentanwaltsbüro in Buenos Aires. Infolge verspäteter Neuanmeldung lief der Warenzeichenschutz ab. Die Schadensersatzklage des Mandanten gegen den deutschen Patentanwalt war erfolglos. Es sei rechtlich zulässig gewesen, den Auftrag nach § 664 BGB zu übertragen. Hierfür sei es unwesentlich, dass zwischen dem Mandanten und dem ausländischen Anwalt unmittelbare Vertragsbeziehungen zustande gekommen seien. Entscheidend sei allein, dass die Übertragung sachgemäß gewesen sei. Gem. § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB habe der deutsche Anwalt nur ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten. Dies entfalle, weil der deutsche Anwalt ein angesehenes und zuverlässiges Patentanwaltsbüro ausgewählt habe. Ein Verschulden bei der Unterweisung des ausländischen Anwalts sei nicht festzustellen. Für das Verschulden des ausländischen Anwalts hafte der deutsche Anwalt nach § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht. Eine Zurechnung des fremden Verschuldens nach § 278 BGB scheide aus.
Diese Erwägungen, welche die Haftung eines Patentanwalts betreffen, lassen sich in vollem Umfang auf einen Rechtsanwalt übertragen.
Rz. 363
Das RG hat die zitierte Entscheidung später nicht bestätigt. Das Gericht hat Bedenken Rechnung getragen, die sich daraus ergeben, dass der Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Mandant i.d.R. ein Dienstvertrag ist, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat. Auf solche Verträge sei § 664 BGB, der den unentgeltlichen Auftrag betrifft, wegen § 675 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Vielmehr sei eine Auslegung des konkreten Vertrages erforderlich.
Rz. 364
Der Entscheidung des OLG Bamberg lag ein Fall zugrunde, in dem ein deutscher Rechtsanwalt beauftragt worden war, Klage gegen eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz vor einem Gericht in Zürich nach schweizerischem Recht zu erheben. Der Rechtsanwalt beauftragte im Namen und mit Zustimmung des Mandanten einen in der Schweiz niedergelassenen und bei dem zuständigen Gericht zugelassenen Anwalt, den Prozess durchzuführen. Der schweizerische Anwalt unterließ es, die drohende Verjährung des geltend zu machenden Anspruchs zu unterbrechen.
Das OLG Bamberg hat die Schadensersatzklage gegen den deutschen Rechtsanwalt abgewiesen. Dieser Rechtsanwalt habe die Funktion eines Verkehrsanwalts gehabt, d.h. das Zwischenglied zwischen dem Mandanten und dem Prozessbevollmächtigten gebildet (allgemein zur Haftung von Verkehrs- und Prozessanwalt vgl. Rdn 252 ff.). Deswegen hätten der deutsche Verkehrs- und der ausländische Prozessanwalt jeweils einen eigenen, selbstständigen Aufgabenkreis gehabt. Der Verkehrsanwalt sei überwiegend für die Übermittlung der notwendigen Informationen und Weisungen zuständig gewesen. Der Prozessanwalt sei für die eigentliche Prozessführung verantwortlich. Dazu gehöre neben dem Vortrag des Sachverhalts auch die rechtliche Bearbeitung des Falls. Der Prozessanwalt habe den Lauf etwaiger Verjährungsfristen zu beachten und notfalls für eine Unterbrechung der Verjährung zu sorgen, zumindest aber den Mandanten hierauf hinzuweisen. Die alleinige Verantwortung des Prozessanwalts hierfür werde auch nicht durch den Auslandsbezug infrage gestellt. Der deutsche Verkehrsanwalt habe sich darauf verlassen dürfen, dass der beauftragte Prozessbevollmächtigte seinen Pflichtenkreis vollständig und mit der erforderlichen Sorgfalt übernehme und das anzuwendende schweizerische Recht kennen und beachten werde. Zu einer Kontrolle sei der deutsche Verkehrsanwalt nicht verpflichtet gewesen. Eine Haftung des deutschen Rechtsanwalts für einen Fehler des hinzugezogenen ausländischen Anwalts nach § 278 BGB scheide aus. Zwischen Verkehrs- und Prozessanwalt bestünden keine vertraglichen Beziehungen. Beide unterhielten ein selbstständiges Vertragsverhältnis mit dem Mandanten. Daher...