Rz. 341
Werden für den Auftraggeber mehrere Rechtsanwälte in derselben Sache tätig, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts für einen entstandenen Schaden ursächlich und dem Rechtsanwalt zurechenbar ist, wenn der Mandant oder ein anderer vom Mandanten eingeschalteter Rechtsanwalt in den Geschehensablauf eingreift (vgl. § 5 Rdn 46 ff.).
Rz. 342
Ursächlich ist eine pflichtwidrige Handlung, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele. Für die Zurechnung eines Schadens ist auf das Kriterium der Adäquanz abzustellen. Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet ist. Unter dem Gesichtspunkt der haftungsrechtlichen Zurechenbarkeit (vgl. § 5 Rdn 40 ff.) ist es dem Schädiger nicht zuzurechnen, dass der Geschädigte selbst in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehenslauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt. Diese Voraussetzung liegt aber nicht vor, wenn für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf das Ereignis darstellt.
Rz. 343
Im Verhältnis von Rechtsanwalt und Notar liegt es nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, dass ein Notar bei der Beurkundung eines Vertrages Einzelheiten nicht zutreffend berücksichtigt. Ein solches Versehen kann dadurch gefördert werden, dass zuvor der Rechtsberater eines Vertragspartners dem Notar seine rechtliche Bewertung mitgeteilt hat. Es ist dann nicht ungewöhnlich oder ganz unwahrscheinlich, dass sich sogar verantwortungsbewusste Rechtskundige auf plausibel erscheinende Vorbeurteilungen verlassen und deswegen nicht weiter nachforschen. Nichts anderes gilt für Rechtsanwälte, die nebeneinander oder nacheinander in derselben Sache tätig werden.
Rz. 344
Haben verschiedene Personen mehrere Ursachen für einen Schaden gesetzt, wird zivilrechtlich nicht danach unterschieden, ob einzelne Ursachen wesentlicher sind als andere. Dies gilt grds. auch, wenn eine Ursache für sich allein den Schaden nicht herbeigeführt hat, es dazu vielmehr des Hinzutretens weiterer Ursachen i.S.e. Gesamtkausalität bedurfte. Demgemäß ist derjenige Schaden ebenfalls zu ersetzen, der letztlich durch das Eingreifen eines Dritten eintritt. Die Zurechenbarkeit fehlt in derartigen Fällen nur ausnahmsweise, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstands für das Eintreten des zweiten Ereignisses nach dem Schutzzweck der Norm gänzlich bedeutungslos war, wenn also das schädigende erste Verhalten nur noch der äußere erste Anlass für ein völlig ungewöhnliches und sachwidriges Eingreifen eines Dritten bildet, der dann den Schaden erst endgültig herbeiführt. Beim Eingreifen eines Dritten kommt es – anders als bei Maßnahmen des Geschädigten selbst – nicht darauf an, ob sich der Außenstehende durch das Verhalten des Erstschädigers zu seinem Willensentschluss herausgefordert fühlen durfte.
Rz. 345
Diese Grundsätze gelten, abgesehen von den Fällen subsidiärer Haftung (§ 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB, § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO), auch im Verhältnis zwischen verschiedenen Organen der Rechtspflege als möglichen Schädigern. Es besteht i.R.d. jeweiligen Zuständigkeitsbereiche eine Wechselwirkung. Der Rechtsanwalt hat die Interessen seines Mandanten auch ggü. dem Notar wahrzunehmen. Auf die Erfüllung der notariellen Prüfungs- und Belehrungspflichten (§§ 17 ff. BeurkG, §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO) darf sich der vom Mandanten hinzugezogene Rechtsanwalt deshalb nicht verlassen. Umgekehrt hat der Notar seine Amtspflichten grds. auch ggü. dem anwaltlich beratenen Beteiligten zu erfüllen, solange nicht feststeht, dass dieser tatsächlich umfassend unterrichtet ist. Allerdings hat der Notar keine erhöhte Gewährleistungspflicht, die eine Mitverantwortung des Rechtsanwalts ausschließt. Auch im Verhältnis zum Gericht ist der Anwalt verpflichtet, seinen Mandanten vor Fehlentscheidungen zu bewahren. Der daher grds. gegebene Zurechnungszusammenhang ist nicht unterbrochen, soweit sich in einer gerichtlichen Fehlentscheidung das allgemeine Prozessrisiko verwirklicht, das darin liegt, dass das Gericht bei ordnungsgemäßem Vorgehen trotz des Anwaltsfehlers richtig hätte entscheiden können und müssen, ist dem Anwalt der Urteilsschaden haftungsrechtlich zuzurechnen.
Rz. 346
Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Anwaltsfehler und dem entstandenen Schaden entfällt, wenn der Mandant aufgrund anderweitiger rechtlicher Beratung noch in der Lage ist, durch eine Pflichtverletzung seines Rechtsanwalts drohende Nachteile abzuwenden, er jedoch die ihm angeratene Maßnahme aus unvertretbaren Gründen unterlässt. Dies ist etwa de...