Rz. 42
Technischer Fortschritt, Wandel des anwaltlichen Berufsbilds und eine verbraucherschutzgetriebene europäische Gesetzgebung haben dazu geführt, dass je nach den Umständen des Vertragsabschlusses unterschiedliche Informationspflichten und Widerrufsrechte zu beachten sind. Die jüngsten, seit 13.6.2014 geltenden Regelungen setzen die Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) um. Für den Berater von Bedeutung ist insoweit, dass in Fällen, in denen sich der Verbraucher vertreten lässt, auf die Person des Vertreters abzustellen ist. Erfolgt die Beauftragung eines Anwalts durch einen anderen Anwalt (als Vertreter eines Verbrauchers), liegt damit kein Verbraucher- oder Fernabsatzvertrag vor. Es wäre auch eine nicht zu rechtfertigende Förmelei, müsste z.B. ein Rechtsanwalt, der von einem Kollegen im Namen eines Verbrauchers mit der Rechtsmitteleinlegung per E-Mail beauftragt wird, diesen Kollegen wie einen Verbraucher informieren und belehren.
a) Verbrauchervertrag
Rz. 43
Nach der Legaldefinition in § 310 Abs. 3 BGB sind "Verbraucherverträge" solche zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB). Da Rechtsanwälte einzeln oder zur Berufsausübung verbunden beim Abschluss von Anwaltsverträgen regelmäßig in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handeln, sind sie als Unternehmer i.S.d. Gesetzes anzusehen. Mit Verbrauchern geschlossene Anwaltsverträge unterliegen damit besonderen verbraucherschützenden Regelungen, wie etwa § 310 Abs. 3 BGB mit Modifikationen zur AGB-Kontrolle. Ebenso finden sich in § 312a BGB Informationspflichten und Grenzen bzw. Modalitäten bei der Vereinbarung von Entgelten in Verbraucherverträgen.
b) "Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge"
Rz. 44
In Zeiten zunehmenden Wettbewerbs steigender Dienstleistungsorientierung ist es nicht ungewöhnlich, dass der Rechtsanwalt Mandanten auch am Arbeitsplatz oder in der Privatwohnung aufsucht. Darin liegt nicht nur ein Service für den Mandanten. Auch der rechtliche Berater kann davon profitieren, wenn die notwendigen Unterlagen und Belege sogleich verfügbar sind und nicht erst vom Mandanten nachgereicht werden, nachdem ihn der Anwalt auf deren Relevanz hingewiesen hat. Kommt es erst bei einem solchen Besuch zum Vertragsabschluss mit einem Verbraucher, lag früher ein sog. Haustürgeschäft vor, das dem Verbraucher eine Widerrufsmöglichkeit eröffnete, wenn die zugrunde liegenden Vertragsverhandlungen nicht auf eine vorherige Bestellung durch den Verbraucher zurückgingen. Die Problematik, was unter einer solchen Bestellung zu verstehen war, hat sich nunmehr erledigt, da § 312b BGB es genügen lässt, dass der Vertragsabschluss oder verbreitende Handlungen an einem Ort stattgefunden haben, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Selbst wenn die Mandatserteilung auf Wunsch des Verbrauchers in dessen Wohnung, an seinem Arbeitsplatz oder an einem sonstigen Ort (Krankenhaus, Flughafen usw.) stattgefunden hat oder vorbereitet wurde, sind die Voraussetzungen von § 312b Abs. 1 BGB erfüllt.
Neben weitreichenden vorvertraglichen Informationspflichten (vgl. § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1, 4 EGBGB), die den Anwalt treffen, ergibt sich für den Verbraucher gem. § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB. Darüber wiederum muss der Rechtsanwalt den Verbraucher gem. Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB formgerecht (regelmäßig in Papierform) belehren, um die 14-tägige Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Andernfalls erlischt das Widerrufsrecht erst ein Jahr und 14 Tage nach dem Vertragsschluss.
Vor Ablauf der Widerrufsfrist erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht und mit ihr erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Rechtsanwalt verliert (§ 356 Abs. 4 BGB). Da gerade bei Beratungsmandaten oder Maßnahmen zur Fristwahrung ein Zuwarten von zwei Wochen ab Vertragsschluss im Bereich anwaltlicher Dienstleistungen die Ausnahme sein wird, ist der Anwalt gut beraten, seine Organisation auf diese gesetzlichen Anforderungen auszurichten. Von dem Umstand abgesehen, dass es sich bei den Informations- und Belehrungspflichten zum Schutz der Verbraucher regelmäßig um Marktverhaltenspflichten handeln wird und damit zugleich eine unlautere Handlung nach § 4 Nr. 11 UWG vorliegt, die Abmahnungen und Unterlassungsklagen nach sich ziehen kann, drohen dem Anwalt erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Widerruft nämlich der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringungen von Dienstleistungen, schuldet er dem Anwalt nur dann Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von de...