Rz. 349
Verlangt der Mandant von einem der nacheinander oder nebeneinander beauftragten Rechtsanwälte Schadensersatz, kann sich dieser Rechtsanwalt grds. nicht darauf berufen, der Mandant müsse sich einen Fehler eines anderen in derselben Sache beauftragten Rechtsanwalts gem. §§ 254 Abs. 1, 278 BGB zurechnen lassen (vgl. auch § 6 Rdn 11 ff.). Zwar ist i.R.d. § 254 Abs. 1 BGB dem Geschädigten ein Verschulden eines Erfüllungsgehilfen, dessen er sich zur Wahrnehmung seiner Interessen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses bedient, in entsprechender Anwendung des § 278 BGB zuzurechnen. Mehrere nacheinander oder nebeneinander beauftragte Rechtsanwälte werden aber i.d.R. unabhängig voneinander tätig, sodass grds. kein Rechtsanwalt Erfüllungsgehilfe eines anderen i.S.d. § 278 BGB ist. Ausnahmsweise hat sich der geschädigte Mandant auf einen Regressanspruch einen schuldhaften Pflichtverstoß eines anderen Rechtsanwalts i.R.d. haftungsbegründenden Vorgangs als Mitverschulden gem. §§ 254 Abs. 1, 278 BGB anrechnen zu lassen, wenn er sich dieses Rechtsanwalts zur Erfüllung eines Gebots des eigenen Interesses bedient hat und das Verhalten dieser Hilfsperson in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem ihr anvertrauten Pflichtenkreis steht. In Betracht kommt eine Zurechnung insb. dann, wenn der Mandant den neuen Anwalt mit der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den früheren Berater beauftragt hat. Vertraut der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfüllung durch den später in Anspruch genommenen Berater, muss er sich regelmäßig keinen schuldhaften Schadensbeitrag anrechnen lassen.
Rz. 350
Nach Eintritt des schädigenden Ereignisses kann den Mandanten die Obliegenheit treffen, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dabei findet § 278 BGB gem. § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung.
Rz. 351
Eine frühere Tendenz der Rechtsprechung, den in der Berufungsinstanz tätigen Rechtsanwalt als Erfüllungsgehilfen der Partei ggü. dem erstinstanzlichen Anwalt anzusehen, wurde mit der Überlegung begründet, dieser sei verpflichtet, von der Partei Schaden abzuwenden, der dieser infolge eines Fehlers ihres erstinstanzlichen Anwalts drohe. Die Partei müsse sich daher einen Fehler ihres zweitinstanzlichen Anwalts stets anspruchsmindernd ggü. dem erstinstanzlichen Anwalt anrechnen lassen.
Rz. 352
Demgegenüber ist eine differenziertere Betrachtungsweise geboten. Der Auftraggeber muss sich das Verschulden eines zweiten Rechtsanwalts, der das Mandat des ersten Anwalts fortführt, nicht zurechnen lassen, wenn der Zweitanwalt denselben schadensursächlichen Fehler begangen hat wie der zuerst tätig gewordene Kollege und der Auftraggeber sich darauf verlassen durfte, dass der erste Anwalt seine Vertragspflichten sachgerecht erfüllt hatte. Andernfalls würde nicht hinreichend berücksichtigt, dass eine Zurechnung nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB nur gelten könne, wenn ein Geschädigter sich der Hilfsperson zur Erfüllung eines Gebots des eigenen Interesses bediene. In einem solchen Fall habe der Mandant jedoch von sich keine Veranlassung, etwas zu unternehmen, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwendung des Schadens zu erfüllen. Er dürfe sich vielmehr darauf verlassen, dass der von ihm beauftragte Rechtsanwalt die rechtlich erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe. Er brauche sich dann den Rechtsirrtum des zweiten Rechtsanwalts nicht als eigenes Verschulden zurechnen zu lassen. In diesen Fällen kommt eine gesamtschuldnerische Haftung der beteiligten Rechtsanwälte in Betracht (vgl. Rdn 348).
Rz. 353
Beauftragt der Mandant dagegen einen Rechtsanwalt, um einen erkannten oder für möglich gehaltenen Fehler eines früheren Rechtsanwalts zu beheben, muss sich der Mandant im Verhältnis zu seinem ersten Rechtsanwalt einen schuldhaften Schadensbeitrag seines zweiten Rechtsanwalts als Mitverschulden zurechnen lassen. Eine solche Belastung des Mandanten im Rechtsverhältnis zu seinem ersten Rechtsanwalt ist nicht unangemessen, sondern sachgerecht; der Mandant kann insoweit bei seinem zweiten Anwalt Rückgriff nehmen.
Rz. 354
Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, dass den Mandanten selbst aufgrund einer anderweitig erhaltenen Rechtsbelehrung die Obliegenheit trifft, Schaden infolge eines Fehlers des ersten Anwalts zu vermeiden. Auch dann muss der Auftraggeber sich ein Verschulden des zweiten Anwalts als Eigenes anrechnen lassen, etwa wenn der Auftraggeber von vornherein die streitgegenständliche Verjährungsproblematik aufgrund der Beratung durch den Rechtsmittelanwalt kannte oder der Zweitanwalt die Interessen des Mandanten bei der Abwehr einer Abmahnung wahren sollte, die Folge einer Pflichtverletzung des Erstanwalts war.
Rz. 355
Bei der Prüfung des Mitverschuldens des geschädigten Mandanten, dessen Rechtsanwalt bei der Behebung eines Fehlers des früheren Rechtsanwalts durch pflichtwidriges Prozessverhalten zu einem Schaden beigetragen hat, ist für die...