Rz. 265
Der Verkehrsanwalt ist verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten sorgfältig auszuwählen, wenn der Auftraggeber ihm dessen Beauftragung überlässt. Entscheidend sind die Umstände des Falls, insb. die tatsächliche und rechtliche Schwierigkeit sowie die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber. Im Normalfall kann sich der Verkehrsanwalt wegen der fachlichen Eignung des Prozessbevollmächtigten auf dessen Selbsteinschätzung und auf die Angaben in einem Anwaltsverzeichnis verlassen. Nur wenn das zu übertragende Mandat ausnahmsweise Erfahrung und Fachkenntnisse in einem Spezialgebiet, Sprachkenntnisse, jederzeitige Erreichbarkeit, sachkundige Vertreter oder Mitarbeiter des sachbearbeitenden Anwalts erfordert, muss der Verkehrsanwalt sich vor der Beauftragung vergewissern, ob der Prozessbevollmächtigte persönlich und fachlich geeignet ist sowie über die erforderliche Büroorganisation verfügt. Hierzu kann der Verkehrsanwalt i.d.R. auf Empfehlungen verlässlicher und unabhängiger Dritter und auf Referenzmandate des Prozessbevollmächtigten vertrauen. Von besonderer Bedeutung ist in jedem Fall, dass der Verkehrsanwalt rechtzeitig mit dem in Aussicht genommenen Prozessbevollmächtigten Rücksprache nimmt und sicherstellt, dass in dessen Person kein Interessenkonflikt vorliegt. Die vorbeschriebenen Pflichten sind dem Verkehrsanwaltsvertrag im Wege der Auslegung zu entnehmen. Eine analoge Anwendung des § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB ist wegen des auf Anwaltsverträge anzuwendenden § 675 Abs. 1 BGB ausgeschlossen (vgl. Rdn 360 ff.).
Rz. 266
Die dargelegte Pflicht des Prozessanwalts, in eigener Verantwortung geeignete und verlässliche Maßnahmen zu treffen, die eine zuverlässige Information über den Lauf der Rechtsmittelfrist gewährleisten, trifft auch den Verkehrsanwalt, der es übernommen hat, den Berufungsanwalt zu beauftragen. Der Verkehrsanwalt ist deshalb in eigener Verantwortung verpflichtet, die Mandatsübernahme durch den auswärtigen Rechtsanwalt sowie die fristgemäße Einlegung und Begründung des Rechtsmittels zu überwachen. Der einen Rechtsmittelauftrag erteilende Rechtsanwalt muss wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsmittelfristen eigenverantwortlich in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise dem beauftragten Rechtsanwalt die für die fristgemäße Einlegung und Begründung des Rechtsmittels erforderlichen Daten übermitteln. Erfolgt die Übermittlung fernmündlich, so besteht eine besondere Kontrollpflicht, um Missverständnisse zuverlässig auszuschließen.
Rz. 267
Nach Übernahme des Mandats durch den Prozessbevollmächtigten ist der Verkehrsanwalt grds. nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten bei seiner Tätigkeit zu überwachen. Nur wenn sich dem Verkehrsanwalt aufgrund besonderer Umstände aufdrängen muss, dass der Prozessbevollmächtigte ihm obliegende Pflichten nicht erfüllt, muss der Verkehrsanwalt im Rahmen seiner dem Mandanten ggü. bestehenden Beratungspflicht diesen darauf hinweisen und auf Abhilfe dringen. Der Entwurf eines Schriftsatzes oder die Überwachung von Fristen durch den Verkehrsanwalt erweitert grds. nicht dessen Verantwortungsbereich ggü. dem Prozessgericht. Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Verkehrsanwalt seinem Auftraggeber für den Inhalt der von ihm entworfenen Schriftsätze verantwortlich ist. Wenn er den Prozessbevollmächtigten zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Prozessgericht begleitet, ist er verpflichtet zu verhindern, dass der Prozessbevollmächtigte Maßnahmen ergreift, die den gemeinsamen Auftraggeber schädigen können, etwa wenn der Prozessbevollmächtigte ohne sachlichen Grund die Klage zurücknimmt.
Rz. 268
Daneben ist die Ermittlung des rechtlich relevanten Sachverhalts grds. die ausschließliche Aufgabe des Verkehrsanwalts, insb. dann, wenn er die Schriftsätze zu entwerfen hat. Der Verkehrsanwalt hat die Informationen des Mandanten aufzunehmen, zu verarbeiten und fehlerfrei an den Prozessbevollmächtigten weiterzuleiten. Der Verkehrsanwalt hat den Auftraggeber über den Fortgang des Rechtsstreits zu unterrichten. Seine Aufgabe erschöpft sich nicht in der Weiterleitung von Schriftstücken. Er hat den Auftraggeber auch über die rechtliche Bedeutung eines Beweisbeschlusses zu belehren und auf gerichtliche Auflagen hinzuweisen, an deren Erfüllung der Auftraggeber mitwirken muss. Dies gilt insb. für die Auflage, einen für die Beweiserhebung notwendigen Kostenvorschuss zu zahlen. Zu diesem Zweck muss der Verkehrsanwalt den Inhalt eines Beweisbeschlusses mit der für einen Rechtsanwalt erforderlichen Sorgfalt prüfen und das Ergebnis dem Mandanten mitteilen. Stellt er Fehler oder Unklarheiten fest, aus denen für den Auftraggeber Rechtsnachteile erwachsen können, darf er es nicht dabei bewenden lassen, sondern muss den Prozessbevollmächtigten veranlassen, bei dem Prozessgericht auf Berichtigung oder Klarstellung zu dringen. Der Verkehrsanwalt handelt vertragswidrig, wenn er den vom Auftraggeber ausgehändigten Gerichtskost...