Rz. 489
Die Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung "im Einzelfall" wird dadurch erschwert, dass der die Klausel verfassende Rechtsanwalt – abgesehen von einer Wiederholung des Gesetzeswortlauts – von § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO wenig Gestaltungsspielraum hat. Umso wichtiger ist es bei der Ausgestaltung, die Vorgaben der Rechtsprechung an eine "Vereinbarung im Einzelfall" zu beachten.
Eine "Vereinbarung im Einzelfall" i.S.d. § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist negativ von einer Vereinbarung durch "vorformulierte Vertragsbedingungen" i.S.d. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO abzugrenzen. Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung fallen auch vorformulierte Haftungsbeschränkungen unter § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO, wenn sie im Einzelfall erfolgen. Diese Ansicht widerspricht nicht nur dem bereits dargelegten Willen des Gesetzgebers, sondern auch der gesetzlichen Systematik, die einen Gegensatz zwischen einer Vereinbarung im Einzelfall (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) und einer Vereinbarung durch vorformulierte Vertragsbedingungen aufstellt. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO ist danach lex specialis zu § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO. Eine vordergründig allein auf den Wortlaut des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO abstellende Argumentation greift demgegenüber zu kurz.
Rz. 490
Der Begriff "vorformulierte Vertragsbedingungen" ist an die Terminologie in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie des Rates 93/13/EWG v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen angepasst. Die gleiche Formulierung enthält auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Im Gegensatz zu § 305 Abs. 1 BGB setzt § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO nicht voraus, dass die Vertragsbedingung für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Eine vorformulierte Vertragsbedingung liegt in Anlehnung an § 305 Abs. 1 BGB insb. vor, wenn die Haftungsbeschränkung in vorgedruckten Formularen verwendet wird, auch wenn unselbstständige Textteile wie etwa Namen oder die Höhe der Haftungsbeschränkung nachträglich individuell ausgefüllt werden.
Rz. 491
Demgegenüber liegt eine "Vereinbarung im Einzelfall" in Anlehnung an § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vor, wenn die Haftungsbeschränkung im Einzelnen zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt ist. Zur Auslegung der Formulierung "Vereinbarung im Einzelfall" in § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO kann auf die Rechtsprechung zu § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zurückgegriffen werden. Danach ist eine Klausel im Einzelfall ausgehandelt, wenn die Gegenseite des Verwenders den Inhalt mit beeinflusst hat bzw. mit beeinflussen konnte. Ein Indiz für ein individuelles Aushandeln könne sich daraus ergeben, dass im vorformulierten Vertragstext nachträglich Änderungen eingefügt worden sind. Aushandeln i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeute andererseits nicht, dass die vom Verwender der AGB vorformulierte Bestimmung tatsächlich abgeändert oder (mit weiterem Regelungsinhalt) ergänzt worden sei. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Auch bei einem unveränderten Text könne § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB erfüllt sein, wenn der andere Teil sich nach gründlicher Erörterung ausdrücklich einverstanden erklärt habe. Im kaufmännischen Verkehr könne ein individuelles Aushandeln i.Ü. auch dann zu bejahen sein, wenn der Verwender eine bestimmte Klausel für unabdingbar erkläre. Ein Aushandeln liegt vor, wenn der Verwender den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt; der Verwender muss dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen, zumindest mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können.
Rz. 492
Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, der Rechtsanwalt müsse seinen Auftraggeber auch über Bedeutung und Tragweite der Freizeichnungsvereinbarung aufklären. Diese Aufklärung sei notwendiger Bestandteil des Aushandelns der Vereinbarung im Einzelfall. Die Intensität der Aufklärungspflicht werde durch die jeweiligen Umstände, insb. die Person des Auftraggebers bestimmt. Sei für den Rechtsanwalt vorhersehbar, dass das Schadensrisiko die im Gespräch befindliche Obergrenze der Haftungsbeschränkung deutlich überschreite, müsse der Rechtsanwalt den Auftraggeber auf die Möglichkeit hinweisen, auf eigene Kosten eine Zusatzversicherung abzuschließen.
Eine solche Verpflichtung erscheint fraglich. Wer sich auf eine – individualvertraglich ausgehandelte – Haftungsbeschränkung einlässt, weiß, dass damit auch Risiken verbunden sind. In aller Regel kann der Auftraggeber auch besser beurteilen, ob der ausgehandelte Betrag (mind. 250.000,00 EUR) die möglichen Schäden abdeckt. Die Akzeptanz einer Haftungsbeschränkung weist ferner auf ein besonderes Interesse an der Beauftragung des ausgewählten Rechtsanwalts hin. Ein solches Interesse kann etwa daraus folgen, dass der Mandant gerade den beauftragten Rechtsanwalt für sich gewinnen will oder – bei einem Beratungsmandat – in eine Ha...