Rz. 406
Die (konkludente) Auslegung des Rechtsanwaltsvertrages wäre zwar entbehrlich, wenn man für die persönliche Haftung der Mitglieder von Rechtsanwaltssozietäten weitergehend eine Analogie zu § 8 PartGG in Betracht zöge. Eine solche Analogie ist aber im Ergebnis nicht angebracht, weil sie zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führte. Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG haften für Verbindlichkeiten der Partnerschaft den Gläubigern neben dem Vermögen der Partnerschaft die Partner als Gesamtschuldner. Die §§ 129 und 130 HGB sind entsprechend anzuwenden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG). Wenn allerdings nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrages befasst waren, sieht § 8 Abs. 2 PartGG eine gesetzliche Haftungskonzentration für berufliche Fehler auf diejenigen Partner vor, die mit der Bearbeitung des jeweiligen Auftrages befasst waren. Untergeordnete Beiträge bei der Bearbeitung eines Auftrags blieben ausgenommen.
Die vom II. Zivilsenat des BGH gezogene Analogie zu den Haftungsregeln der OHG betraf im entschiedenen Fall eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft. Bei solchen gewerblichen Gesellschaften bürgerlichen Rechts ist die OHG die vergleichbare gesetzlich typisierte Rechtsform. Auch wenn Freiberuflerzusammenschlüsse gerade keine Gesellschaften sind, "deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes (…) gerichtet ist", wie es in § 105 Abs. 1 HGB heißt, steht dies der entsprechenden Anwendung des § 128 HGB nicht entgegen. § 128 HGB stellt die Zurechnungsnorm für alle Formen der personengesellschaftlichen Zusammenschlüsse dar. Demgegenüber kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Partnerschaft typisiertes Regelmodell einer Gesellschaft ist, "in der sich Angehörige freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PartGG). Entsprechendes hat der Gesetzgeber nirgends zum Ausdruck gebracht. Zwar unterscheidet sich die Haftungsregelung in § 8 PartGG sehr deutlich von der der OHG. Gerade dies rechtfertigt es aber, dass der Mandant bei einer als GbR verfassten Sozietät, die keine Partnerschaft ist, eine akzessorische Haftung analog § 128 HGB erwartet und nicht von einer Haftungsbeschränkung auf den handelnden Partner und die Partnerschaft als solche ausgeht.
Hieran ändert es nichts, dass Rechtsberater – anders als allgemein die Gesellschafter einer GbR – bereits gesetzlich verpflichtet sind, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten. Die Pflicht, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten, hat nichts mit der Erwartung des Mandanten zu tun, dass ihm sämtliche Sozietätsmitglieder haften und nicht nur der Handelnde. Andernfalls wäre unerkärlich, warum jedes Sozietätsmitglied den Vertrag für sämtliche Sozien und nicht nur für sich selbst abschließt. Der Anwalt müsste den Mandanten dann ausdrücklich darauf hinweisen, dass er den Anwaltsvertrag zwar mit allen Sozien schließt, haftungsrechtlich aber gehindert ist, sämtliche Vertragspartner persönlich in Anspruch zu nehmen. Schon dies zeigt, dass die Partnerschaft nicht das gesetzgeberische Leitbild für die Haftung eines Zusammenschlusses von Freiberuflern sein kann.
Unerheblich ist, dass der IX. Zivilsenat in anderem Zusammenhang die Unterschiede zwischen Anwalts- und Kaufmannstätigkeit betont und darauf hingewiesen hat, dass einem Anwalt nicht die Möglichkeit offensteht, eine von der gesetzlichen Haftung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 HGB abweichende Vereinbarung zu treffen. Selbst wenn hinzugerechnet wird, dass § 52 BRAO die Möglichkeit vertraglicher Haftungsbeschränkungen für Anwälte im Vergleich zu sonstigen BGB-Gesellschaftern erheblich einschränkt, spricht dies nicht für eine Analogie zu § 8 Abs. 2 PartGG. Grund für diese unterschiedliche Behandlung sind die Besonderheiten der anwaltlichen Berufstätigkeit, die aber keineswegs eine Analogie zu § 8 Abs. 2 PartGG näherliegend erscheinen lassen als die entsprechende Anwendung der §§ 128, 129 HGB, weil dann ein atypisches Haftungsmodell, welches die Sozien sonst bewusst nicht gewählt haben, indem sie auf die Gründung einer Partnerschaft verzichtet haben, zur Grundlage der Haftung der Sozietätsmitglieder gemacht würde. Obwohl der Mandant mit der Haftung nach § 8 Abs. 2 PartGG nicht rechnen muss, müsste er sich mit diesem Haftungsmodell auseinandersetzen.
Diese Lösung über § 8 Abs. 2 PartGG wäre auch bei Abwägung der Interessen des Auftraggebers und der Mitglieder des Freiberuflerzusammenschlusses nicht sachgerecht. Ob der Mandant ein besonderes Vertrauen für die sachgerechte Bearbeitung eines Auftrages – neben der Sozietät als solcher, auf deren Reputation er vertraut – im Wesentlichen nur den sachbearbeitenden Sozien (Partnern) entgegenbringt, nicht jedoch den ihm ggü. nicht in Erscheinung tretenden Sozien, ist nicht gesagt. Wenn der Mandant die Sozietät beauftragt, weil er im Rahmen seiner Auswahl auf die Reputation bestimmter herausgehobener Mitglieder setzt, kann ihm nicht unterstellt werden, dass es ihm hierauf nach Erteilung des Auftrags nicht mehr an...