Rz. 411
Eine sog. Scheinsozietät liegt vor, wenn die Außendarstellung den Anschein einer Sozietät erweckt, während die Berufsträger im Innenverhältnis eine andere Form der Zusammenarbeit vereinbart haben. Dann haften wie Mitglieder einer Sozietät auch Rechtsanwälte, die sich zu einer Bürogemeinschaft zusammengeschlossen haben, angestellte Rechtsanwälte bzw. freie Mitarbeiter einer Sozietät oder zwischenzeitlich aus der Sozietät ausgeschiedene Rechtsanwälte, wenn sie in zurechenbarer Weise den Anschein erwecken, Mitglieder einer Sozietät zu sein. Die Scheinsozietät als solche kann kein Haftungssubjekt sein, da sie rechtlich nicht existent ist.
Auch wenn berufsrechtlich gegen die Verwendung der Bezeichnung "Sozietät" durch einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die keine Sozietät in der Form einer GbR bilden, nichts einzuwenden ist, bleibt ein solches Verhalten lauterkeitsrechtlich irreführend (vgl. Rdn 395).
Jedenfalls soweit es um die Haftung im Zusammenhang mit anwaltstypischen (rechtsberatenden oder rechtvertretenden) Tätigkeiten geht, besteht keine Veranlassung die Scheinsozietät und den Scheinsozius anders als die Sozietät und die Sozien zu behandeln. Das betrifft sowohl die vertragliche wie auch (i.V.m. § 31 BGB analog) die deliktische Haftung, da § 128 HGB, der analog angewandt wird, sowohl vertragliche wie auch deliktische Verbindlichkeiten erfasst. Der Scheinsozius muss für Verbindlichkeiten der Sozietät einstehen und umgekehrt.
Rz. 412
Dagegen haftet ein Scheinsozius nicht persönlich nach Rechtsscheingrundsätzen, wenn die geltend gemachte Forderung nicht die anwaltstypische Tätigkeit betrifft. Da die Rechtsfigur der Scheinsozietät allein dazu dient, im Interesse der Mandantschaft um deren Vertrauensschutzes willen unter Haftungsgesichtspunkten auf den erweckten Anschein abzustellen, setzt die Haftung eines Mitglieds einer Scheinsozietät ein Mandatsverhältnis und damit eine anwaltstypische Tätigkeit voraus. Eine solche anwaltstypische Tätigkeit liegt jedoch nicht vor beim Kauf einer PC-Anlage und dem Auftrag zu deren Reparatur.
Für das Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes kommt es auf den Kenntnisstand und die Sicht des konkreten Mandanten an. Wichtigstes Kriterium hierzu ist der Briefkopf der Kanzlei. Andere Umstände – allerdings von geringerer Bedeutung – sind die Angaben in einer Vollmacht oder auf dem Türschild der Kanzlei.