Rz. 45
Verträge mit rechtlichen Beratern (Dienst- oder Werkverträge) können unter den Voraussetzungen von § 312c BGB Fernabsatzverträge sein, mit der Folge besonderer Informationspflichten (§ 312d BGB) und einem Widerrufsrecht (312g BGB). Der Anwendungsbereich der genannten Vorschrift ist auf Verträge zwischen einem Unternehmer (Rechtsberater) und einem Verbraucher beschränkt.
Wie die Aufzählung in § 312c Abs. 2 BGB zeigt, sind Fernkommunikationsmittel i.S.d. Gesetzes weit zu verstehen und nicht nur auf moderne technische Möglichkeiten beschränkt; auch Briefe, Telefon und Telefax gehören dazu. Entscheidend ist allein, dass es ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien zum Vertragsabschluss gekommen ist. Dabei wird allerdings gesetzlich vorausgesetzt, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Dienstleistungssystems erfolgt (§ 312c Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BGB). Wie schon das Konzept als vom Unternehmer nachzuweisende Ausnahme belegt, sollte mit dieser Regelung eine Ausnahme für nur gelegentliche oder zufällige Vertragsabschlüsse geschaffen werden. Eine Anwaltskanzlei wird regelmäßig über ein für den Fernabsatz organisiertes Dienstleistungssystem verfügen. So hält wohl jede Anwaltskanzlei die notwendige Infrastruktur vor, um Anwaltsverträge ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien ausschließlich über Fernkommunikationsmittel abzuschließen. Als Beispiel seien nur die Fälle genannt, in denen Mandate zur Prozessführung oder Rechtsmitteleinlegung von auswärtigen Kollegen (als Vertretern der Mandanten) entgegengenommen werden. Derartige Vertragsabschlüsse pflegen stets brieflich, telefonisch, per Fax oder E-Mail vorgenommen zu werden. Damit ist zugleich der Beleg erbracht, dass eine Anwaltskanzlei regelmäßig über ein für den Fernabsatz organisiertes Dienstleistungssystem verfügt. Sind die sonstigen Voraussetzungen von § 312c BGB erfüllt, sind deshalb auch die mit Verbrauchern abgeschlossenen Anwaltsverträge als Fernabsatzverträge einzuordnen. Ist aufgrund der Modalitäten des Vertragsabschlusses ein Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag zu qualifizieren, ändert sich daran nichts durch eine spätere persönliche Kontaktaufnahme, weil die gesetzliche Regelung allein auf die Modalitäten der Vertragsanbahnung und des Vertragsabschlusses abstellt. Die Leistungserbringung ist dafür nicht maßgebend.
Allerdings reicht es für die Annahme eines Fernabsatzvertrages regelmäßig nicht schon aus, dass der Rechtsanwalt – wie praktisch jeder Anwalt – ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorhält, wenn er lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz wie Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse bereitstellt. Vielmehr muss die planmäßige Werbung mit einem dem Angebot telefonischer Bestellung und Zusendung der Ware entsprechenden Verhalten hinzukommen. Dafür genügt es (noch) nicht, dass der Unternehmer auf seiner Homepage lediglich Informationen (etwa über seine Waren bzw. seine Dienstleistungen und seine Kontaktdaten) zur Verfügung stellt. Ausreichend ist es dagegen, dass sich der Rechtsanwalt bewusst eines Dritten bedient (Anlegerschützers), um eine Vielzahl von Mandaten in Kapitalanlagefällen ohne persönlichen Kontakt zu den potentiellen Mandanten und unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu gewinnen. Ein solcher Strukturvertrieb oder ein diesem zumindest vergleichbares Vertriebssystem erfüllt die Voraussetzungen für ein auf den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem. Die Voraussetzungen des § 312b BGB a.F. sind insoweit auch erfüllt, wenn der Unternehmer ein fremdes Organisations- und Dienstleistungserbringungssystem nutzt.
Keiner näheren Darlegung bedarf es, dass die Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrags bei sog. "Anwalts-Hotlines" oder "Steuerberater-Hotlines" ebenso gegeben sind wie bei der Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen über ein Internetauktionshaus, beim Betrieb einer sog. "Telekanzlei" oder bei der Bereitstellung von Online-Formularen auf Internetportalen.
Inhaltlich entsprechen die Informationspflichten im Wesentlichen denen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, was auch für die Folgen von Pflichtverletzungen und Widerruf gilt (vgl. Rdn 44).