Rz. 395
Lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbote sind beim werblichen Auftreten von Rechtsanwaltssozietäten nach außen zu beachten. Der BGH folgert aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG, dass ein Rechtsanwalt im Verkehr auf die Mitarbeit in einer Sozietät nur hinweisen darf, wenn die mit den Sozien getroffenen vertraglichen Absprachen den Vorstellungen entsprechen, die das rechtsuchende Publikum mit einer Sozietät berechtigterweise verbindet. Dem Bild des Außenverhältnisses müsse das Innenverhältnis unter den Rechtsanwälten, die als Sozien auftreten, entsprechen. Jedes Mitglied der Sozietät müsse durch die Sozietätsvereinbarung ermächtigt und grds. verpflichtet sein, den Anwaltsvertrag mit Wirkung für und gegen alle Sozien abzuschließen und deren gesamtschuldnerische Haftung mit den Mandanten zu vereinbaren. Deshalb darf ein Rechtsanwalt nicht den Anschein erwecken, sich mit einem anderen Rechtsanwalt zu einer Sozietät zusammengeschlossen zu haben, wenn dies in Wahrheit nicht der Fall sei, wenn also eine sog. Außen- oder Scheinsozietät vorliegt. Inkonsequent – wenn auch der Praxis Rechnung tragend – ist es dann zuzulassen, dass angestellte Rechtsanwälte, mit denen im Innenverhältnis auch keine Geschäftsführungsbefugnis und keine Beteiligung an Gewinn und Verlust vereinbart ist, im Briefkopf als "Sozius" erscheinen dürfen.
Rz. 396
Die Grundlage dieser Rechtsprechung dürfte mit den Änderungen von § 59a BRAO und der Einführung von § 52 Abs. 2 BRAO entfallen sein, der es Mitgliedern einer Rechtsanwaltssozietät ermöglicht, ihre örtliche Tätigkeit frei zu bestimmen und die Haftung auf einzelne Sozien zu beschränken (vgl. Rdn 520 ff.). Die (berechtigte) Erwartung des rechtsuchenden Publikums hinsichtlich der Stellung und persönlichen Haftung der in einer Sozietät zusammengeschlossenen Rechtsanwälte hat sich dadurch verändert. I.Ü. kommt dem Schutz vor Irreführung immer noch Bedeutung zu. Die zahlreichen Rechtsformen, die für eine gemeinschaftliche Berufsausübung den Anwälten zur Verfügung stehen, hat nach Auffassung des BGH nichts an der berechtigten Erwartung des Verkehrs geändert, dass sich die unter einer einheitlichen Kurzbezeichnung auftretenden Berufsträger unter Aufgabe ihrer beruflichen und unternehmerischen Selbstständigkeit zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer haftungsrechtlichen Einheit verbunden haben, weshalb eine einheitliche Kurzbezeichnung einer in Bürogemeinschaft oder Kooperation unternehmerisch eigenständiger Berufsträger ohne hinreichend deutliche Hinweise regelmäßig irreführend ist.
Rz. 397
Allerdings soll die Verwendung der Bezeichnung "Sozietät" durch einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die keine Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden, keine unzulässige Irreführung der Rechtsuchenden i.S.d. § 43b BRAO mehr sein, wenn die Beauftragung der zusammengeschlossenen Rechtsanwälte dem Rechtsverkehr im Wesentlichen die gleichen Vorteile bietet wie die Mandatierung einer Anwaltssozietät. Die § 43b BRAO konkretisierende Bestimmung des § 8 BORA a.F. erfasse als Zusammenarbeit "in sonstiger Weise" nicht nur die im Klammerzusatz genannten klassischen Fallgestaltungen einer Außen- (= Schein-)Sozietät (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit), sondern auch solche Formen der Zusammenarbeit, in denen sich selbstständige Rechtsanwälte oder rechtsfähige Sozietäten als Mitglieder einer Außen- (= Schein-)Sozietät gerierten.
Rz. 398
Haftungsrechtlich haben die wettbewerbsrechtlichen Regeln – ebenso wie die des Berufsrechts – keine unmittelbare Bedeutung. Allerdings sind hinsichtlich der lauterkeitsrechtlichen Ansprüche die Sozien ebenso wie Scheinsozien passivlegitimiert. Die Vorschriften des Lauterkeitsrechts dienen dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 UWG). Demgegenüber erfüllen die Vorschriften des Haftungsrechts in erster Linie eine Ausgleichs- und Präventivfunktion und dienen damit dem Schutz der Auftraggeber. Das Berufsrecht bezweckt, das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Berufsausübung durch die Rechtsanwälte zu gewährleisten (vgl. § 43 BRAO). Die Vorschriften begründen keine subjektiven Rechte des Mandanten. Dabei kann im Einzelfall der Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten, sowohl eine unlautere geschäftliche Handlung darstellen (etwa §§ 3, 4 Nr. 11 UWG) als auch einen Haftungstatbestand (etwa § 311 Abs. 2 BGB) erfüllen.