Rz. 215
Ein Rechtsanwalt muss die Erklärung, dass er ein ihm angetragenes Mandat ablehnt, unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern abgeben. Nach dem Zugang eines Antrags auf Übernahme eines Mandats hat der Rechtsanwalt unverzüglich zu prüfen und zu entscheiden, ob er gem. §§ 43a Abs. 4, 45, 46 BRAO verhindert ist bzw. ob er das angetragene Mandat aus einem anderen Grund nicht übernehmen kann oder möchte. Diese Prüfung muss der Rechtsanwalt selbst vornehmen. Er darf sie allenfalls auf einen anwaltlichen Vertreter delegieren, nicht jedoch auf das Büropersonal. Ob der Rechtsanwalt die Ablehnung eines Mandats unverzüglich erklärt hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Rz. 216
I.d.R. soll er eine Anfrage noch am selben Tag oder zumindest am Folgetag zu überprüfen haben. In einfacheren Fällen wird vom Rechtsanwalt erwartet, umgehend eine Entscheidung zu treffen. In schwierigeren Fällen soll dem Rechtsanwalt eine Bedenk- oder Prüfungszeit bis zu mehreren Tagen einzuräumen sein. In Sozietäten kann es einer Abstimmung desjenigen Rechtsanwalts, dem der Antrag auf Übernahme eines Mandats zugegangen ist, mit den anderen Sozien bedürfen.
Das RG hat darauf hingewiesen, dass von einem Rechtsanwalt nicht erwartet werden könne, Schreiben, die äußerlich nicht als eilig erkennbar seien, unter allen Umständen in kürzester Zeit zu bearbeiten. Es sei zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt auch noch andere Geschäfte zu besorgen und auch Anspruch auf angemessene Ruhepausen habe. Wenn dem Rechtsanwalt die Eilbedürftigkeit erkennbar ist, etwa weil der Anfragende hierauf ausdrücklich hingewiesen hat, ist eine raschere Prüfung und Entscheidung als im Normalfall geboten.
Rz. 217
Der BGH hat zu einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt, dass ein Rechtsanwalt sich nicht von der Pflicht befreien könne, jeden Eingang selbst mindestens darauf durchzulesen, ob er sofort bearbeitet werden muss. Um die ihm anvertrauten Interessen des Absenders sachgerecht zu wahren, müsse er als Adressat darüber entscheiden, ob in einem Brief ein Antrag enthalten sei, und was dann – u.U. sogleich – geschehen müsse.
Rz. 218
Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen ein Rechtsanwalt sich zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Übernahme eines Mandats eingeht, nicht in seiner Kanzlei aufhält, ohne dass er einen Vertreter bestellt hat. Der BGH hat in einem Wiedereinsetzungsverfahren ausgeführt, ein Rechtsanwalt müsse während der Abwesenheit von seiner Kanzlei dafür Sorge tragen, dass ein anderer Rechtsanwalt oder ein ihm gleichgestellter Vertreter die Überwachung v.a. des Posteingangs übernimmt; dies gelte insb. dann, wenn der Rechtsanwalt zehn Tage von seiner Kanzlei ferngeblieben sei und mit dieser Dauer der Abwesenheit auch von vornherein gerechnet habe.
Rz. 219
Der VGH Bayern hat in einem Beschluss die Ansicht vertreten, ein Rechtsanwalt müsse sogar Sorge tragen, dass auch während seiner Abwesenheit an einem Werktag in den üblichen Bürozeiten eingehende Schriftstücke – vorliegend ein um 15.42 Uhr per Telefax eingegangener Antrag auf Übernahme eines Mandats – noch am selben Tag auf drohenden Fristablauf hin geprüft werden. Es sei dem Rechtsanwalt zuzumuten, noch am selben Tag die Frist zu wahren.
Rz. 220
Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsanwalt wegen einer Abwesenheit von seiner Kanzlei einen Vertreter bestellen muss, regelt § 53 Abs. 1 BRAO. Danach muss ein Rechtsanwalt (nur dann) für seine Vertretung sorgen, wenn er länger als eine Woche gehindert ist, seinen Beruf auszuüben oder wenn er sich länger als eine Woche von seiner Kanzlei entfernen will. Daraus folgt die Wertung des Gesetzgebers, dass von einem Rechtsanwalt gerade nicht erwartet wird, täglich oder etwa während der üblichen Bürozeiten in seiner Kanzlei anwesend zu sein. Dies wäre weder praktikabel noch kann es von einem Rechtsuchenden erwartet werden. Diesem ist zur Abwendung von Nachteilen zuzumuten, sich in erkennbaren Eilfällen zu erkundigen, ob sein Antrag angenommen worden ist. Stellt der Anfragende dabei fest, dass der Rechtsanwalt, den er um die Übernahme des Mandats ersucht hat, nicht in seiner Kanzlei erreichbar ist und auch keinen Vertreter bestellt hat, muss er sich um die Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts bemühen. Daraus folgt, dass ein Rechtsanwalt die Ablehnung eines Mandats nicht allein deshalb schuldhaft verzögert, weil er bei Eingang des Antrages für einen von § 53 Abs. 1 BRAO erlaubten Zeitraum von bis zu einer Woche nicht in seiner Kanzlei war.
Rz. 221
Hat der Rechtsanwalt die Anfrage geprüft und entschieden, das angetragene Mandat nicht zu übernehmen, muss er dem Anfragenden seine Entscheidung unverzüglich mitteilen. Er muss sich dann grds. noch am selben Tag, spätestens am Folgetag erklären. In eiligen Fällen kann es auch geboten sein, die Ablehnung durch Telefon, Telefax oder E-Mail zu übermitteln. Die Erklärung, mit der der Rechtsanwalt die Übernahme eines angetragenen Mandats ablehnt, bedarf ke...