Rz. 416
Nach der früheren Rechtsprechung kam es für die Haftung eines ausgeschiedenen Sozietätsmitglieds auf den Zeitpunkt an, zu dem ein Mitglied der Sozietät die infrage stehende Pflicht verletzt hatte. Das ausgeschiedene Mitglied haftete grds. nur für solche Pflichtverletzungen, die während seiner Mitgliedschaft in der Sozietät begangen wurden. Besonderheiten ergaben sich allenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinssozietät, etwa wenn das ausgeschiedene Sozietätsmitglied nicht alles Zumutbare unternommen hatte, damit sein Name von dem Briefbogen und dem Praxisschild der Sozietät entfernt wurde.
Begründet man die Haftung der Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät analog den Haftungsregelungen einer OHG, richtet sich die Haftung ausgeschiedener Mitglieder – über § 736 Abs. 2 BGB – nach § 160 HGB. Gem. § 160 Abs. 1 HGB haftet ein aus einer Gesellschaft ausgeschiedener Gesellschafter für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn gerichtlich geltend gemacht sind. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Formulierung "bis dahin begründete Verbindlichkeiten". Insoweit besteht Einigkeit, dass sich die auf den Zeitpunkt des Ausscheidens maßgebliche Abgrenzung von Alt- und Neuschulden nicht nach der Entstehung der Verbindlichkeit, erst recht nicht nach deren Fälligkeit richtet, sondern nach der Schaffung ihrer Rechtsgrundlage.
Rz. 417
Grundlegend ist hierzu ein Urteil des II. Zivilsenats des BGH. Der Senat hat entschieden, dass jedenfalls ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB a.F. wegen schuldhafter Unmöglichkeit der Herausgabe aus einem Depotvertrag bereits mit Abschluss des Vertrages "begründet" worden ist. In dieser Entscheidung hat der Senat umfassend die Interessen des ausgeschiedenen Gesellschafters sowie der Gläubiger der Gesellschaft abgewogen. Zum einen sei zu beachten, dass ein Gesellschafter nach seinem Ausscheiden keine Möglichkeit mehr habe, die Geschäftsführung der Gesellschaft zu beeinflussen oder zu überwachen. Auch habe er keinen Einblick in die Tätigkeit der Gesellschaft mehr. Andererseits müssten grundlegende Gläubigerinteressen berücksichtigt werden. Würde der Gläubiger in diesen Fällen nicht mehr gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter vorgehen können, wäre der Schutz, den ihm die persönliche Haftung der Gesellschafter verschaffen soll, nicht gewährleistet. Der Gläubiger dürfe im Vertrauen darauf handeln, dass ihm die Gesellschafter persönlich haften. Diese Haftung könne jedenfalls nicht durch solche Vorgänge wegfallen, auf die er keinen Einfluss habe. Aus diesem Zweck der §§ 128, 159 HGB in der damals geltenden Fassung hat das Gericht gefolgert, dass der Gesellschaftsgläubiger den ausgeschiedenen Gesellschafter in Anspruch nehmen kann, wenn die Gesellschaft die vor seinem Ausscheiden begründete Verpflichtung nach seinem Ausscheiden schuldhaft verletzt hat.
Aus der vorzitierten Rechtsprechung leitet die herrschende Meinung im Schrifttum ab, dass auch Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung bzw. jetzt nach § 280 BGB Altverbindlichkeiten sind, für die ein ausgeschiedener Gesellschafter bereits haftet, wenn der Vertrag vor dessen Ausscheiden geschlossen worden ist, jedoch die einen Ersatzanspruch begründenden Tatbestandsvoraussetzungen erst nachträglich eintreten.
Rz. 418
Für Rechtsanwaltssozietäten kann der von der Rechtsprechung angeführte Gesichtspunkt, dass der Gläubiger zumindest insoweit schutzbedürftig ist, als die Haftung der Gesellschafter nicht durch Vorgänge wegfallen darf, auf die er keinen Einfluss hat, differenziert werden. Wenn ein Mitglied der Sozietät ausscheidet, hat der Auftraggeber die Möglichkeit zu entscheiden, ob er einen der Sozietät erteilten Auftrag weiterhin durch diese bearbeiten lassen möchte oder das Mandat beendet und auf den ausgeschiedenen Sozius bzw. eine neue Sozietät, der sich dieser angeschlossen hat, überträgt. Dabei muss der Auftraggeber u.a. abwägen, wie wichtig ihm das persönliche Vertrauen in die Person des sachbearbeitenden Rechtsanwalts und die Qualität der Sachbearbeitung einerseits oder eine etwaige Haftungsmasse andererseits sind. Bei Rechtsanwaltsverträgen ist nicht anzunehmen, dass der letztgenannte Gesichtspunkt ggü. dem erstgenannten eine relevante Rolle spielen würde.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) eines Rechtsanwaltsvertrages nach Maßgabe von § 159 HGB a.F. oder § 160 HGB n.F. begründet sind, ist noch nicht hinreichend geklärt. Es erscheint jedoch fraglich, ob auch für die Begründung von Schadensersatzverbindlichkeiten wegen Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts ausschließlich auf den Abschluss des für einen solchen Schadensersatzanspruch vorausgesetzten Mandatsverhältnisses abzustellen ist. Vielmehr sprechen in einem solchen Fall – analog der allgemeinen Auffassung zur Einbeziehung delik...