Rz. 516
Die Richtlinie des Rates 93/13/EWG v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist auf Rechtsberatungsverträge mit Verbrauchern anwendbar. Damit muss sich auch § 52 BRAO am Maßstab der Richtlinie messen lassen, aber nur, wenn die Norm in deren Anwendungsbereich fällt. Art. 1 Abs. 2 unterwirft jedoch Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, nicht den Bestimmungen der Richtlinie. Zur Begründung verweist Erwägungsgrund 13 darauf, dass bei Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen direkt oder indirekt die Klauseln für Verbraucherverträge festgelegt werden, davon ausgegangen wird, sie enthielten keine missbräuchlichen Klauseln. § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO legt jedenfalls zwingend eine Mindesthaftung fest, indem die Beschränkungsmöglichkeiten begrenzt werden. Der Norm entsprechende Vertragsklauseln fallen daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie.
Rz. 517
Geht man demgegenüber davon aus, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnet ist, erweisen sich die nachstehend aufgeführten Bedenken gegen eine Vereinbarkeit mit den Art. 3, 4 der Richtlinie als unbegründet: Die Norm soll den durch Art. 8 der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestschutz unterschreiten und sei deshalb nichtig, soweit der Mandant Verbraucher sei. Der Gesetzgeber habe mit der generell-abstrakten Haftungsbeschränkung in § 51a BRAO a.F. jedenfalls die in Art. 4 Abs. 1 der EG-Richtlinie genannten konkreten Umstände des Vertragsschlusses außer Acht gelassen. Selbst wenn man "nur" auf die generellen Umstände abhebe, sei die in § 51a Abs. 1 Nr. 2 BRAO a.F. niedergelegte Haftungsgrenze allemal "ungebührlich", weil sie die Rechtsposition des Verbrauchers verkürze. Die gesetzliche Haftungsbeschränkung liege beträchtlich unter dem vorhersehbaren Schadensvolumen und sei daher nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie missbräuchlich.
Rz. 518
Entgegen dieser vorzitierten Ansicht darf schon nicht allgemein auf § 51a BRAO a.F. bzw. § 52 BRAO abgestellt werden. Die in Abs. 1 Nr. 1 enthaltene Möglichkeit, die Haftung durch Vereinbarung im Einzelfall zu beschränken, wird von der Richtlinie nicht berührt. Vorliegend geht es allein um Abs. 1 Nr. 2. Diese Vorschrift ist nicht deswegen unwirksam, weil sie den Umständen des Vertragsschlusses keine Bedeutung beimisst. In extrem gelagerten Sachverhalten kann Abs. 1 Nr. 2 richtlinienkonform so ausgelegt werden, dass die Berufung auf eine danach an sich zulässige Haftungsbeschränkung gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist der Fall, wenn die Haftungsbeschränkung im Einzelfall außer Verhältnis zu dem vorhersehbaren Schadensrisiko des Auftraggebers steht. An eine solche Einschränkung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Regelmäßig wird der Auftraggeber bei Gegenstandswerten von mehr als 1 Mio. EUR über die nötige Erfahrung und v.a. die Verhandlungsmacht verfügen, seinen Vorstellungen über den Inhalt des Mandats, insb. die Vereinbarung einer vertraglichen Haftungsbeschränkung, nachdrücklich Geltung zu verschaffen. Dem Rechtsuchenden bleibt es unbenommen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der nicht auf einer Haftungsbeschränkung besteht. Solche Mandanten sind nicht der typische "Verbraucher", von dem der Richtliniengeber ausgegangen ist und dessen Schutzbedürftigkeit Rechnung getragen werden muss. Es überzeugt nicht, wegen solcher denkbaren Ausnahmefälle einen Verstoß des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO gegen Art. 4 Abs. 1 der EG-Verbraucherschutz-Richtlinie anzunehmen. Aus ähnlichen Gründen verstößt § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie.