Rz. 535
Für die Praxis stellt sich die wichtige und unterschiedlich beurteilte Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Haftungskonzentration auf einzelne Mitglieder einer Sozietät wirksam ist, wenn neben dem namentlich bezeichneten Sozius noch andere Sozien an der Mandatsbearbeitung beteiligt sind.
Es wird die Ansicht vertreten, eine Haftungsbeschränkung sei stets unwirksam, wenn entgegen der namentlichen Bezeichnung in der vom Auftraggeber unterschriebenen Erklärung andere Mitglieder der Sozietät in der Sache tätig werden und einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers begründen. Weitergehend wird z.T. sogar gefordert, in der Vereinbarung müssten alle Erfüllungsgehilfen aufgeführt werden, denen sich der namentlich bezeichnete Sozius zur Ausführung seiner Pflichten bedient.
Rz. 536
Nach einer anderen Ansicht soll neben dem namentlich bezeichneten Sozius – unabhängig von der Intensität seiner Mitwirkung an der Mandatsbearbeitung – auch der tatsächlich den Auftrag bearbeitende Sozius haften. Es komme nicht darauf an, ob dieser in der Vereinbarung über die Haftungskonzentration namentlich bezeichnet sei. Alle übrigen Sozien, die weder namentlich bezeichnet noch in die Mandatsbearbeitung einbezogen sind, hafteten nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen. Hierzu wird auf die Gesetzgebungsmaterialien verwiesen: Nach der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates soll die Gesetzesfassung klarstellen, dass dem Auftraggeber "auch" derjenige hafte, der den Auftrag zulässigerweise bearbeitet. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse dem Auftraggeber der Nachweis der sozietätsinternen Mandatsbearbeitung erspart bleiben. Es lasse sich kaum ein tauglicher Grund finden, warum die sozietätsinterne Hinzuziehung eines namentlich nicht aufgeführten Mitglieds der Sozietät die unbeschränkte persönliche Haftung aller übrigen (unbeteiligten) Sozien zur Folge haben solle. Den Interessen des Auftraggebers sei dadurch hinreichend gedient, dass der namentlich bezeichnete Sozius im Eigeninteresse weitere Bearbeiter des Mandats preisgeben werde, wenn er wegen seiner persönlichen Haftung anderenfalls in eine existenzielle Notlage gerate.
Rz. 537
Bei einem Bearbeiterwechsel, der zum Abschlusszeitpunkt nicht absehbar gewesen sei, lasse sich nach anderer Meinung die Konzentrationsabrede nicht mehr erfüllen und müsse, um wirksam zu sein, für den neuen Sachbearbeiter neu vereinbart werden. Wenn diejenigen Sozien, die das Mandat bearbeiten sollen, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Vereinbarung über die Haftungskonzentration zustande kommt, in der Zustimmungserklärung unrichtig bezeichnet seien, sei es sachgerecht, die Haftungskonzentration als unwirksam zu bewerten.
Rz. 538
Ausgangspunkt einer überzeugenden Lösung muss der Umstand sein, dass die Bezeichnung des den Auftrag tatsächlich bearbeitenden Sozius maßgebend für die Zustimmung des Auftraggebers zu der Haftungsbeschränkung ist. Dieser muss in der Lage sein, das Risiko abzuschätzen, einen möglichen Schadensersatzanspruch nicht durchsetzen zu können. Hierzu muss er wissen, welcher Sozius das Mandat bearbeitet. Sein Interesse an der Bearbeitung durch den namentlich genannten Sozius wird aber auch mit dessen fachlicher Qualifikation zu tun haben, die wiederum ein Schadensrisiko vermindern kann. Dieses Risiko kann sich nicht nur beim Wechsel des bearbeitenden Sozius, sondern auch beim Hinzutreten weiterer Bearbeiter oder dem Wegfall ursprünglich genannter weiterer Bearbeiter vergrößern. Je geringer aus der Sicht des Auftraggebers das Risiko eines Schadens ist, desto eher wird er zum Abschluss einer haftungsbeschränkenden Vereinbarung bereit sein.
Rz. 539
Ferner ist zu berücksichtigen, dass der zeitjüngere im Jahr 1998 geänderte § 8 Abs. 2 PartGG ausdrücklich eine Bearbeiterhaftung vorsieht (vgl. Rdn 542) und sich damit von § 52 Abs. 2 Satz 2 BRAO unterscheidet, der Gesetzgeber seit 1994 unverändert ist und dessen Ähnlichkeit mit § 8 Abs. 2 PartGG a.F. eine Änderung nahe gelegt hätte, wenn der Gesetzgeber auch für Sozietäten eine Bearbeiterhaftung hätte vorsehen wollen.
Rz. 540
Zutreffend erscheint daher die Lösung, die Vereinbarung dahin auszulegen, dass diese unter der auflösenden Bedingung geschlossen wird, dass das Mandat von denjenigen Sozien bearbeitet wird, die in der Haftungsvereinbarung aufgeführt sind. Eine Abweichung der tatsächlichen Bearbeitung ggü. der vereinbarten führt damit zur Unwirksamkeit.
Rz. 541
Eine solche Regelung ist praktikabel und trägt den wechselseitigen Interessen Rechnung. Es ist der Sozietät zuzumuten, einen Bearbeiterwechsel dem Auftraggeber zu kommunizieren und auf einen Neuabschluss der Haftungskonzentration hinzuwirken. Sieht dieser kein erhöhtes Risiko ggü. der Ursprungsvereinbarung, sollte ihn nichts von einer erneuten Annahme des Angebots einer Haftungskonzentration abhalten.