1. Begriffsbestimmung
Rz. 252
Die Aufgabenteilung zwischen einem Prozess- und einem Verkehrsanwalt ergab sich über Jahrzehnte daraus, dass ein Rechtsanwalt seinen Auftraggeber in Zivilsachen grds. nur vor demjenigen Gericht vertreten konnte, bei dem er zugelassen war. Diese rechtliche Beschränkung entsprach nicht der Erfahrungstatsache, dass ein Rechtsuchender i.d.R. einen Rechtsanwalt beauftragt bzw. mit einem Rechtsanwalt seines Vertrauens zusammenarbeitet, der in seiner Nähe niedergelassen ist. Wenn nun ein Rechtsstreit vor einem auswärtigen Gericht geführt werden muss, legt der Rechtsuchende regelmäßig Wert darauf, weiterhin von seinem örtlichen Rechtsanwalt beraten zu werden. Wenngleich inzwischen die Beschränkungen hinsichtlich der Postulationsfähigkeit weitgehend aufgehoben sind, wird dennoch aus einer Vielzahl von Gründen ein weiterer Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beauftragt. Dasselbe gilt, wenn der Auftraggeber auch in der Rechtsmittelinstanz nicht auf die Mittlerrolle seines am Rechtsmittelgericht nicht zugelassenen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten verzichten möchte. Ein an Bedeutung gewinnender Sonderfall ist die Beauftragung eines ausländischen Prozessbevollmächtigten, wenn der Mandant Partei eines Rechtsstreits im Ausland ist (vgl. auch Rdn 364). Derjenige Rechtsanwalt, der den Verkehr mit dem gemeinsamen Auftraggeber führt, wird allgemein als Verkehrs- oder Korrespondenzanwalt, der Prozessbevollmächtigte als Prozessanwalt bezeichnet.
Rz. 253
Das Verhältnis zwischen Verkehrsanwalt und Prozessbevollmächtigtem sowie die Beziehungen der Rechtsanwälte zum gemeinsamen Auftraggeber sind – abgesehen vom Gebührenrecht – gesetzlich nicht geregelt. Im RVG ist die Tätigkeit des Verkehrsanwalts in Nr. 3400 des Gebührenverzeichnisses berücksichtigt. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Verkehrsanwalts richtet sich nach § 91 ZPO.
Rz. 254
Die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen dem Mandanten und den beauftragten Rechtsanwälten hängt von möglichen Absprachen ab, die aber auch getroffen werden sollten. Es gibt keine zwingend vorgeschriebene Aufgabenverteilung. Der Verkehrsanwalt vermittelt typischerweise die Korrespondenz zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem gemeinsamen Mandanten. Vielfach wird zusätzlich vereinbart, dass der Verkehrsanwalt den Auftraggeber weiterhin zu beraten, den rechtserheblichen Sachverhalt aufzuklären und auch die Schriftsätze auszuarbeiten hat, die der Prozessbevollmächtigte dann mit seinem Briefbogen bzw. Stempel zu versehen, zu unterzeichnen und bei Gericht einzureichen hat. Auf Wunsch des Auftraggebers kann der Verkehrsanwalt auch als Beistand des Prozessbevollmächtigten an Gerichtsterminen teilnehmen.
2. Verkehrsanwaltsvertrag
Rz. 255
Ein Verkehrsanwaltsvertrag kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien zustande kommen. An einen konkludenten Abschluss eines Verkehrsanwaltsvertrages sind im Interesse der Rechtssicherheit erhöhte Anforderungen zu stellen (vgl. Rdn 15 ff.). Ein Verkehrsanwaltsvertrag kommt nicht bereits konkludent zustande, wenn der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte mit dem Auftraggeber die Entscheidung sowie die Aussichten des Rechtsmittels bespricht, den Rechtsanwalt für das Rechtsmittelverfahren bestellt und an diesen die Handakten weiterleitet. Alle diese Tätigkeiten sind noch mit dem Honorar für das Tätigwerden des Rechtsanwalts in der vorangegangenen Instanz abgegolten. Nur wenn die Umstände die Annahme eines entsprechenden Vertragsangebots eindeutig und klar erkennen lassen, kann vom schlüssigen Abschluss eines Verkehrsanwaltsvertrages ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für einen Verkehrsanwaltsvertrag können als erfüllt anzusehen sein, wenn die Partei die ständige schriftliche und mündliche Information des Prozessbevollmächtigten durch einen anderen, am Prozessgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt hinnimmt und auch die eigenen Erklärungen zur Sache während des Verfahrens in erster Linie über diesen Rechtsanwalt leitet. Bestehen nach den Umständen des konkreten Falls, namentlich wegen des Verhaltens einer Partei, Zweifel, ob der andere die möglichen Folgen seines Handelns übersieht, das an sich den Schluss auf ein Vertragsangebot zulässt, gehen diese zulasten dessen, der sich auf das Zustandekommen des Verkehrsanwaltsvertrages beruft.
Rz. 256
Wenn der für die erste Instan...