Rz. 276
Ein anderes Zusammenwirken mehrerer Rechtsanwälte im Einzelfall ergibt sich bei Unterbevollmächtigung. Das Zusammenwirken zwischen Haupt- und Unterbevollmächtigtem hat in der Praxis die Kooperation in Form von Prozess- und Verkehrsanwalt weitgehend verdrängt und spielt damit eine erhebliche Rolle.
1. Grundlagen
Rz. 277
Bei Prozessmandaten kann es vorkommen, dass der Prozessbevollmächtigte einen Gerichtstermin nicht persönlich wahrnehmen kann oder will. Regelmäßig erteilt der beauftragte Rechtsanwalt dann einem am Gerichtsort niedergelassenen Rechtsanwalt Untervollmacht zur Wahrnehmung des Gerichtstermins. Der für den Rechtsstreit bestellte Prozessbevollmächtigte bleibt Hauptbevollmächtigter, während der Unterbevollmächtigte sich nicht als weiterer Prozessbevollmächtigter bestellt, sondern auf die Wahrnehmung eines einzelnen Gerichtstermins beschränkt. Alle übrigen Prozesshandlungen nimmt weiter der (Haupt-)Prozessbevollmächtigte vor. Die Prozessvollmacht ermächtigt nach § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Beispielhaft ist im Gesetz die "Bestellung eines Vertreters" aufgeführt, d.h. die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten. Im Anwaltsprozess (§ 83 Abs. 1 ZPO) ist die Prozessvollmacht im Außenverhältnis grds. nicht beschränkbar. Eine Beschränkung z.B. auf einzelne Anträge ist unzulässig. Folglich kann der Auftraggeber im Anwaltsprozess das Recht zur Unterbevollmächtigung eines anderen Rechtsanwalts nicht mit Außenwirkung beschränken. Nur wenn eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, kann eine Vollmacht gem. § 83 Abs. 2 ZPO für einzelne Prozesshandlungen erteilt werden.
Rz. 278
Gebührenrechtlich sind Nr. 3401 bis Nr. 3405 VV RVG zu beachten. Der Gebührenanspruch des Unterbevollmächtigten besteht bei wirksamer Unterbevollmächtigung ggü. dem Auftraggeber. Falls die Voraussetzungen für die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten fehlen, richtet sich dessen Gebührenanspruch gegen den Rechtsanwalt, der ihn beauftragt hat.
Rz. 279
Gerichtliche Entscheidungen zu den haftungsrechtlichen Aspekten des Zusammenwirkens eines Haupt- mit einem Unterbevollmächtigten sind nicht veröffentlicht. Eine Vielzahl von Entscheidungen befasst sich mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts. Dabei geht es häufig auch um deren Vergleich mit fiktiven Reisekosten und umgekehrt.
2. Unterbevollmächtigung beim sog. Kartellsystem
Rz. 280
Thematisiert wurde die Zulässigkeit der Unterbevollmächtigung im Zusammenhang mit dem von Rechtsanwälten an einigen Gerichten praktizierten sog. Kartellsystem. Dabei handelte es sich um eine langjährige Übung örtlicher Anwaltsvereine v.a. im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf. Die Mitglieder des Anwaltsvereins, die an demselben LG zugelassen sind, erteilten sich gegenseitig Untervollmacht. In einer von dem Anwaltsverein beschlossenen Sitzungsdienstordnung waren die Aufgaben und Pflichten der beteiligten Rechtsanwälte sowie der Umfang der Untervollmacht niedergelegt. Diese Sitzungsdienstordnung betraf nur das Verhältnis zwischen den Mitgliedern des Vereins, nicht aber das Gericht oder Dritte. Der Verein bestellte für jede Sitzung der Amts- und Landgerichte, in der bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten verhandelt wurden, ein anwaltliches Mitglied, das als Unterbevollmächtigter derjenigen Kollegen auftrat, die diesen Verhandlungstermin nicht persönlich wahrnehmen konnten (sog. Kartellanwalt). Der vom Auftraggeber eingeschaltete Hauptbevollmächtigte musste die Handakte mit einer klaren schriftlichen, auf einem Formular des Vereins eingetragenen Weisung rechtzeitig im Sitzungssaal niederlegen. Wurden die Maßgaben der Sitzungsdienstanordnung vom Hauptbevollmächtigten missachtet, war der Unterbevollmächtigte nicht zum Auftreten verpflichtet. Dieses Kartellsystem wurde im Jahr 2012 aufgegeben. Gleichwohl kann die rechtliche Bewertung dieses Systems zur Klärung der Zulässigkeit einer Unterbevollmächtigung beitragen.
Rz. 281
Die einzelnen Senate des OLG Düsseldorf haben das Kartellsystem z.T. erheblich voneinander abweichend beurteilt.
Rz. 282
Zunächst hat das OLG Düsseldorf das Kartellsystem grds. gebilligt. Dessen Einrichtung sei im Interesse der Rechtsanwälte und des Gerichts geschaffen worden und dürfe den Parteien daher keine vermeidbaren Nachteile bringen.
Rz. 283
In einem späteren Urteil hat ein anderer Senat des OLG Düsseldorf grundlegende Kritik an dem Kartellsystem geübt. Eine wirksame Untervollmacht des Kartellanwalts setze eine Erklärung des Prozessbevollmächtigten voraus. Diese Erklärung könne darin liegen, dass...