1. Geschäftsführung ohne Auftrag
Rz. 243
Wenn ein Rechtsanwalt für eine Partei tätig wird, mit dieser aber keinen Anwaltsvertrag geschlossen hat, kommt eine außervertragliche Haftung – etwa wegen auftragloser Prozessführung – gemäß den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) in Betracht. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Rechtsanwalt einem Rechtsuchenden im Nachgang zu einem Antrag auf Gewährung von PKH beigeordnet worden ist, die Parteien aber (noch) keinen Anwaltsvertrag geschlossen haben (vgl. Rdn 196).
Rz. 244
Die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag können nach der im Schrifttum umstrittenen Rechtsprechung des BGH auch anwendbar sein, wenn ein Anwaltsvertrag zwar geschlossen, dieser jedoch nicht wirksam ist. Dessen Nichtigkeit kann sich insb. aus einem Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) oder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) ergeben. Der Umstand, dass der Geschäftsführer sich zu einer Leistung verpflichtet hat oder für verpflichtet hält, steht dem nicht entgegen.
Rz. 245
Grds. ist zwischen berechtigter und unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag zu unterscheiden. Berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, dass die Übernahme der Geschäftsführung (durch den Rechtsanwalt) dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn (des Quasi-Mandanten) entspricht (§§ 677, 683 Satz 1 BGB). Dann entsteht ein auftragsähnliches gesetzliches Schuldverhältnis. Wenn die Ausführung dem Interesse oder Willen des Geschäftsherrn widerspricht, ist ihm der Geschäftsführer nach den allgemeinen Regeln zum Schadensersatz verpflichtet. Er haftet dann entsprechend den Regeln der Verletzung eines Anwaltsvertrages. Eine Haftung wegen der Übernahme der Geschäftsführung kommt jedoch nicht in Betracht.
Bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Geschäftsführer gem. § 683 Satz 1 BGB sowie in den Fällen der §§ 683 Satz 2, 679 BGB oder des § 684 Satz 2 BGB wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, soweit er sie den Umständen nach für erforderlich halten darf (§ 670 BGB). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ein Rechtsanwalt ein von der Rechtsordnung missbilligtes Geschäft besorgt. Bei Nichtigkeit des Anwaltsvertrages gem. § 134 BGB kann ein Vergütungsanspruch nicht aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) abgeleitet werden, weil die erbrachten Dienste in einer gesetzwidrigen Tätigkeit bestanden haben, die der Kläger nicht den Umständen nach für erforderlich halten durfte.
Rz. 246
Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Rechtsanwalt sich zur – sittenwidrigen und daher gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtigen – entgeltlichen Vermittlung einer Adoption durch eine adlige Person und zur Vertretung vor dem Vormundschaftsgericht verpflichtet hatte. Die Rückgabe der treuhänderisch überlassenen Gelder hing gem. §§ 681 Satz 2, 667 Alt. 1 BGB davon ab, ob sie zweckentsprechend verwendet worden sind. Hierzu war der Inhalt der – wenn auch nichtigen – Treuhandabrede zu ermitteln. Der BGH hat hervorgehoben, dies bedeute nicht, dass die Rechtsordnung den von ihr missbilligten Verträgen doch wieder Geltung verschaffe. Ein Anspruch auf Durchführung des Geschäfts bestehe keinesfalls. Die Anwendung der §§ 681 Satz 2, 667 Alt. 1 BGB führe nur zu einer angemessenen Risikoverteilung unter den Parteien des nichtigen Auftrags bzw. Geschäftsbesorgungsvertrages bei der internen "Abwicklung" des Geschäfts.
Rz. 247
Im Fall der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, d.h. wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn widerspricht und der Geschäftsführer dies erkennen musste, ist dieser dem Geschäftsherrn zum Ersatz des aus der Geschäftsführung entstehenden Schadens verpflichtet. Der Geschäftsführer ist so zu stellen, wie er ohne das Tätigwerden stehen würde. Dies gilt auch, wenn dem Geschäftsführer außer dem Übernahmeverschulden (vgl. §§ 276, 679, 680 BGB) kein sonstiges Verschulden zur Last fällt (§ 678 BGB). Gem. § 684 Satz 1 BGB besteht dann ein Herausgabeanspruch nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.