1. Grundlagen
Rz. 337
Mehrere Rechtsanwälte, die an der Bearbeitung eines Mandats beteiligt sind, müssen nicht notwendig im Innenverhältnis miteinander verbunden sein. Der Mandant kann mehrere Rechtsanwälte unabhängig voneinander, also nacheinander oder nebeneinander, beauftragen. Das ist etwa der Fall, wenn der zunächst eingeschaltete Rechtsanwalt das Mandat niederlegt bzw. der Auftraggeber den Anwaltsvertrag kündigt und einen anderen Rechtsanwalt in derselben Sache beauftragt. Auch durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts, dessen angestellter Anwalt in der Folgezeit beigeordnet wird, entstehen zwei unabhängige Auftragsverhältnisse. Der Prozessbevollmächtigte für die Rechtsmittelinstanz folgt demjenigen der Vorinstanz. Ist der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte in der Rechtsmittelinstanz Verkehrsanwalt (vgl. Rdn 252 ff.), so wird er neben dem Rechtsmittelanwalt für den Mandanten tätig.
Rz. 338
Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Tätigwerden mehrerer Rechtsanwälte fehlt auch, wenn der Mandant voneinander unabhängig mehrere Rechtsanwälte in derselben Sache nebeneinander beauftragt. Entsprechendes gilt, wenn der Auftraggeber neben einem Rechtsanwalt einen Steuerberater oder einen anderen Berater einschaltet. Ein Rechtsanwalt kann im Zusammenhang mit beratender Tätigkeit einen Vertrag oder eine Erklärung (z.B. ein Testament) entwerfen, der bzw. die anschließend von einem (Anwalts-)Notar beurkundet wird.
2. Eigenständige Pflichtenkreise
Rz. 339
Die Rechtstellung nacheinander oder nebeneinander tätiger Rechtsanwälte wird dadurch charakterisiert, dass jeder der Anwälte mit dem Auftraggeber einen eigenständigen Anwaltsvertrag geschlossen hat. Alle Rechtsanwälte haben dann einen eigenen Pflichten- und Verantwortungsbereich. Keiner ist in seinem Pflichtenkreis als Erfüllungsgehilfe des anderen i.S.d. § 278 BGB tätig. Selbst wenn die Anwälte voneinander wissen, darf keiner seine Pflichten im Vertrauen darauf vernachlässigen, der andere werde die seinen erfüllen (zum Verkehrs- und Prozessanwalt vgl. auch Rdn 252 ff.). Die allgemeinen haftungsrechtlichen Sorgfaltsstandards (vgl. § 2 Rdn 5 ff.) gelten uneingeschränkt für jeden der beteiligten Rechtsanwälte. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, welche mandatsspezifischen Pflichten einem beteiligten Rechtsanwalt ggü. dem Mandanten obliegen und ob er diese Pflichten verletzt hat.
Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich bei den möglichen Schädigern um verschiedene Organe der Rechtspflege – etwa einen Rechtsanwalt und einen Notar – handelt. Weder darf sich der Rechtsanwalt auf die von Amts wegen bestehenden Prüfungs- und Belehrungspflichten des Notars verlassen, noch darf der Notar von der Erfüllung der ihm obliegenden Prüfungs- und Belehrungspflichten ggü. den anwaltlich beratenen Beteiligten absehen, solange nicht feststeht, dass diese tatsächlich umfassend informiert sind. Gleiches gilt im Verhältnis eines Mediators zu einem Rechtsanwalt. Auch hier kann keiner von beiden Beteiligten darauf bauen, dass die ihn treffenden Belehrungspflichten von der anderen Seite wahrgenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass ein rechtlicher Berater als Mediator und ein Rechtsanwalt als Prozessvertreter tätig wird.
Rz. 340
Ein Rechtsanwalt, der vor einem anderen Rechtsanwalt tätig geworden ist, hat zu prüfen, ob sich im Zusammenhang mit der Beendigung des Mandats besondere Aufklärungspflichten ergeben. Insb. wenn materielle oder prozessuale Fristen abzulaufen drohen, können Vorkehrungen zum Schutz des – ehemaligen – Mandanten zu treffen sein (vgl. Rdn 229 ff.).
3. Kausalität und Zurechnung
Rz. 341
Werden für den Auftraggeber mehrere Rechtsanwälte in derselben Sache tätig, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts für einen entstandenen Schaden ursächlich und dem Rechtsanwalt zurechenbar ist, wenn der Mandant oder ein anderer vom Mandanten eingeschalteter Rechtsanwalt in den Geschehensablauf eingreift (vgl. § 5 Rdn 46 ff.).
Rz. 342
Ursächlich ist eine pflichtwidrige Handlung, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele. Für die Zurechnung eines Schadens ist auf das Kriterium der Adäquanz abzustellen. Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach...