1. Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung
a) Rechtsgrundlagen
Rz. 468
Mit der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) gibt es seit 1985 eine supranationale Gesellschaftsform geschaffen. In einer EWIV können Anwälte bzw. Anwaltssozietäten aus Mitgliedstaaten der EU zusammenarbeiten. Anderen ausländischen Anwälten ist die Beteiligung an einer EWIV verwehrt. Dieser Umstand fördert nicht gerade die Attraktivität dieser Rechtsform. Zu der am 1.7.1989 in Kraft getretenen EWIV-Verordnung (im Folgenden: EWIV-VO), die gem. Art. 189 Abs. 2 EGV unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt, haben die Mitgliedstaaten Ausführungsgesetze erlassen, die weitere Einzelheiten regeln.
b) Anwendbares Recht
Rz. 469
Das auf eine EWIV anwendbare Recht richtet sich grds. nach der EWIV-VO. Soweit diese Verordnung keine Regelungen enthält, bestimmt Art. 2 Abs. 1 EWIV-VO, dass für die im Einzelnen aufgezählten Gegenstände das "innerstaatliche Recht" des Staates anzuwenden ist, in dem die Vereinigung ihren Sitz hat. I.Ü. ist zur Lückenfüllung das "einzelstaatliche Recht" zu ermitteln, das sich aus dem jeweils anwendbaren nationalen Kollisionsrecht ergibt.
c) Haftung
Rz. 470
Die EWIV ist eine Personengesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Art. 1 Abs. 2 EWIV-VO sieht vor, dass eine EWIV von der Eintragung an die Fähigkeit hat, im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten zu sein, Verträge zu schließen oder andere Rechtshandlungen vorzunehmen sowie vor Gericht zu stehen. Die EWIV selbst ist daher im Rahmen ihres Gegenstandes ein selbstständiges Haftungssubjekt.
Rz. 471
Die Mitglieder haften gem. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EWIV-VO und § 1 des deutschen Ausführungsgesetzes i.V.m. § 128 HGB unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten der EWIV. Art. 24 Abs. 2 EWIV-VO stellt klar, dass die Mitglieder nur subsidiär im Verhältnis zu der Vereinigung haften. Neu eintretende Mitglieder können ihre Haftung für bereits begründete Verbindlichkeiten unter den Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 EWIV-VO ausschließen.
Rz. 472
Ein wesentliches Merkmal der EWIV besteht darin, dass der Gegenstand der Vereinigung nur darin bestehen darf, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern oder zu entwickeln, um es ihnen zu ermöglichen, die Ergebnisse dieser Tätigkeit zu verbessern oder zu steigern. Eine EWIV darf nicht den Zweck verfolgen, Gewinn für sich selbst zu erzielen (Präambel und Art. 3 Abs. 1 EWIV-VO).
Wegen dieses zwingenden Hilfscharakters eignet sich diese Gesellschaftsform nicht für eine gemeinschaftliche Berufsausübung. Eine EWIV selbst darf keine Rechtsberatung durchführen (Nr. 5 der Erwägungsgründe zur EWIV-VO). Vertragspartner des Mandanten im Rahmen eines Auftrags zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen ist daher stets das einzelne EWIV-Mitglied, nicht die EWIV selbst. Die übrigen EWIV-Mitglieder sind nicht Haftungsschuldner des Auftraggebers eines EWIV-Mitglieds, wenn dieses wegen fehlerhafter Berufsausübung zum Schadensersat...