A. Einleitung
Rz. 1
Wenn von Anwaltshaftung die Rede ist, geht es um die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsanwalt ggü. seinem Auftraggeber oder anderen Personen zum Schadensersatz verpflichtet ist. Ein kodifiziertes Recht der Anwaltshaftung gibt es nicht, abgesehen von vereinzelten gesetzlichen Regelungen wie § 44 Satz 2 BRAO oder § 52 BRAO. Grundlegende Bedeutung kommt deshalb dem Richterrecht und dabei vornehmlich der Rechtsprechung des für die Anwaltshaftung (und auch für die Haftung der Rechtsbeistände und Steuerberater) zuständigen IX. Zivilsenats des BGH zu.
Rz. 2
Das deutsche Recht wählt für die Anwaltshaftung im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen (vgl. auch Rdn 379) einen vertragsrechtlichen Ansatz. Dies hängt v.a. damit zusammen, dass in §§ 823 ff. BGB eine deliktische Haftung für fahrlässig verursachte Vermögensschäden weitgehend ausgeschlossen ist (zur Deliktshaftung des Rechtsanwalts vgl. § 15 Rdn 1 ff.). Die national unterschiedliche Anknüpfung der Haftung (Vertrag/Delikt) kann im Zusammenhang mit der Wahl ausländischer Gesellschaften zur Berufsausübung Haftungsbeschränkungen ermöglichen, die das inländische Recht nicht vorsieht (etwa englische LLP, vgl. Rdn 476).
Dogmatisch wurde die Haftung des Rechtsanwalts ggü. seinem Auftraggeber herkömmlicherweise auf das Institut der positiven Vertragsverletzung (pVV) zurückgeführt. Seit der Schuldrechtsmodernisierung gilt das neue Leistungsstörungsrecht (vgl. § 3 Rdn 1); hierauf wird – ebenso wie auf das Übergangsrecht – Bezug genommen. Anknüpfungspunkt ist danach die Schlechtleistung des Rechtsanwalts, also eine fehlerhafte oder unzureichende Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten. Anspruchsgrundlage für den Ersatz des durch eine schuldhafte Pflichtverletzung verursachten Schadens ist damit regelmäßig § 280 Abs. 1 BGB. Die vertragliche Haftung des rechtlichen Beraters schließt unter den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB auch einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) mit ein.
Rz. 3
Bei der steuerrechtlichen Beratung durch Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sind die vertraglichen Grundlagen und die Haftungsregelungen weitgehend vergleichbar, weshalb die nachfolgende Darstellung am Beispiel des Rechtsanwalts im Wesentlichen auch für die Haftung der genannten Berufsträger gilt.
B. Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber
Rz. 4
Eine vertragliche Schadensersatzverpflichtung des Rechtsanwalts setzt schon begrifflich einen Vertrag mit dem Auftraggeber ("Mandanten") voraus. Zunächst wird der echte Anwaltsvertrag betrachtet, dessen Gegenstand die Erbringung typischer anwaltlicher Leistungen ist, z.B. die Beratung des Mandanten, dessen Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren oder die Berücksichtigung der Interessen des Auftraggebers bei kautelarjuristischer Tätigkeit, etwa bei der Aushandlung und/oder Gestaltung eines Vertrages. Es geht dabei um die berufstypische Rechtsbeistandspflicht (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO, §§ 3, 33 StBerG). Demgegenüber kann sich ein Rechtsberater auch vertraglich zu Dienstleistungen verpflichten, die keine oder nur geringe Pflichten zur Rechtsbetreuung umfassen (unechter Anwalts- bzw. Rechtsberatervertrag). Die Rechtsprechung geht im Zwe...