Rz. 153

Der BGH hat entschieden, dass der Sanierungsgeschäftsführer für Rechtsgeschäfte während der Eigenverwaltung analog §§ 60, 61 InsO haftet.[167] Nach diesen Vorschriften ist der Insolvenzverwalter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft eine ihm nach der Insolvenzordnung obliegende Pflicht verletzt oder wenn eine Masseverbindlichkeit nicht erfüllt werden kann, die durch seine Rechtshandlung entstanden ist.

 

Rz. 154

Nach Auffassung des BGH können die Vorschriften in der Eigenverwaltung einer juristischen Person analog auf die vertretungsberechtigten Geschäftsleiter angewendet werden. Das Gesetz enthalte in Bezug auf die Haftung der Geschäftsleiter bei Anordnung der Eigenverwaltung eine planwidrige Regelungslücke, weil die Verweisung des § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auf §§ 60, 61 InsO die Organe des Insolvenzschuldners nicht unmittelbar erfasse. Diese Gesetzeslücke könne auch nicht durch Rückgriff auf die für Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft geltenden Haftungstatbestände ausgefüllt werden kann. Denn die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG sei auf das Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft beschränkt und eine Außenhaftung komme nur ausnahmsweise in Betracht. Da der Geschäftsführer in der Eigenverwaltung gleich einem Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis für die Gesellschaft frei von Anordnungen der gesellschaftsrechtlichen Überwachungsorgane ausübt, müsse dieser entsprechend einem Insolvenzverwalter haften.

 

Rz. 155

Ferner begründet der BGH die analoge Anwendung der §§ 60, 61 InsO mit den Regelungen in §§ 274 Abs. 1, 60 Abs. 1 InsO. Diese sehen eine Haftung des Sachwalters in der Eigenverwaltung vor, wenn er seine Aufgabe, die Geschäftsführung zu überwachen, missachtet. Es sei unbillig, bei einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers nur den auf eine bloße Überwachung der Geschäftsführung beschränkten Sachwalter haftbar zu machen, aber nicht den Geschäftsführer als Entscheidungsträger der Eigenverwaltung.

Bei der Geltendmachung einer Durchgriffshaftung durch Arbeitnehmer der GmbH gegen die Gesellschafter/Geschäftsführer ist die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ge­geben.[168]

 

Rz. 156

In Unkenntnis über die wirtschaftliche und die rechtliche Situation erbringen Arbeitnehmer häufig in der Phase vor der Insolvenzeröffnung oder der Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse über längere Zeit ihre Arbeitsleistung, obwohl ihre Vergütungsansprüche nicht oder nicht mehr vollständig erfüllt werden. Soweit sie dann ihre Ansprüche nicht über die Gewährung von Insolvenzgeld (siehe § 3 Rdn 109 ff.) seitens der Arbeitsverwaltung ausgeglichen bekommen, sind sie im Insolvenzverfahren mit ihren vorinsolvenzlich begründeten Vergütungsansprüchen nur einfache Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO).

 

Rz. 157

Der Arbeitnehmer, der bei vorsätzlicher Insolvenzverschleppung i.S.v. § 64 Abs. 1 GmbHG durch die Geschäftsführer für die insolvenzreife GmbH (oder GmbH & Co. KG) weiterhin Arbeitsleistungen erbringt, ist als sog. Neugläubiger nicht auf den Quotenschaden beschränkt. Ein durch die Insolvenzverschleppung kausal verursachter Schaden ist jedoch nach der Auffassung des LAG Hessen nicht schon darin zu sehen, dass die GmbH die Vergütung nicht mehr zahlt.[169]

 

Rz. 158

Das LAG Brandenburg vertritt eine ähnliche Auffassung: Der Arbeitnehmer einer GmbH kann vom Geschäftsführer, der seine Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz verletzt hat, nicht die Erfüllung des Entgeltanspruchs verlangen. Auch bei Einordnung des Arbeitnehmers als Neugläubiger (im Sinne der Rspr. des BGH) kann er im Rahmen des Schadensersatzes nur das negative Interesse ersetzt verlangen. Dieses kann sich der Höhe nach nur dann mit dem Erfüllungsinteresse decken, wenn der Arbeitnehmer darlegen und beweisen kann, dass er im Fall der Kenntnis der Insolvenzreife das Arbeitsverhältnis nicht eingegangen bzw. fristlos beendet hätte und sofort einen anderen Arbeitsplatz mit mindestens gleich hohem Entgelt gefunden hätte. Eine dahingehende Vermutung besteht aber nicht.[170]

 

Rz. 159

Eine persönliche Haftung eines Geschäftsführers gegenüber einem Altgläubiger der Gesellschaft ergibt sich nicht bereits daraus, dass er bei eintretender Zahlungsunfähigkeit noch Forderungen anderer Gläubiger erfüllt, solange keine Insolvenzverschleppung vorliegt.[171]

 

Rz. 160

Ein Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis bei der Schuldnerin bereits vor ­Stellung des Insolvenzantrags beendet worden ist, kann allerdings von dem Insolvenz­verwalter zur Klärung eines gegen den Geschäftsführer oder sonstige Dritte gerichteten Anspruchs grundsätzlich keine Auskunft über den Zeitpunkt der Insolvenzreife der Schuldnerin verlangen.[172]

 

Rz. 161

Bei Verschweigen einer drohenden Insolvenz wird keine Haftung des Arbeitgebers begründet, wenn dem Arbeitnehmer durch Zahlung von Insolvenzgeld kein Schaden entsteht. Hat ein Arbeitnehmer infolge einer falschen Darstellung der wirtschaftlichen Lage durch den Arbeitgeber – kein Hinweis auf drohende Insolvenz – einen Arbeitsvertrag geschlossen, wa...

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