Rz. 361
Als Nächstes folgt nach Vorliegen aller oder jedenfalls der wichtigsten Belege das Schreiben an den gegnerischen Versicherer, mit dem die Schäden angegeben und spezifiziert werden (Schadenspezifikation).
a) Inverzugsetzung
Rz. 362
Es ist im Hinblick auf die Verzugsregelung zwingend erforderlich, schon in dem ersten Aufforderungsschreiben eine kalendermäßig bestimmte Zahlungsfrist zu setzen, um möglichst frühzeitig den Verzugszeitpunkt zu begründen.
b) Fristsetzung
Rz. 363
Sie sollte angemessen sein, d.h. zehn bis maximal 14 Tage betragen. Ob eine frühere Stellungnahme seitens des Versicherers allein aus technischen Gründen nicht möglich ist, muss zunehmend hinterfragt werden. Immerhin rühmen sich die Versicherer ja, im Rahmen ihres "Schadensmanagements" oder von "Fair Play" Schäden innerhalb von 24 Stunden regulieren zu können. Dann sollten sie auch bei anwaltlich betreuten Geschädigten einmal zeigen, dass das keine hohle Werbephrase ist.
Rz. 364
Alsdann kann die Regulierung unter Setzen einer weiteren Nachfrist von ca. sieben bis zehn Tagen noch einmal angemahnt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 Abs. 1 BGB auch tatsächlich geltend gemacht werden (vgl. § 5 Rdn 25 ff. und § 8 Rdn 369 ff.).
Tipp
Zur ordnungsgemäßen Inverzugsetzung muss die Frist kalendermäßig bestimmt sein (genaue Datumsangabe) und nicht etwa lauten: "binnen zwei Wochen" o.Ä.
Nie vergessen, die Verzugszinsen auch tatsächlich geltend zu machen, auch schon im vorgerichtlichen Regulierungsbereich!
c) Frist bis zur Klageerhebung
Rz. 365
Der Zeitraum zwischen erster Schadenspezifikation und frühestmöglichem Zeitpunkt zur Klageerhebung sollte drei Wochen nicht unterschreiten (OLG Saarbrücken zfs 1992, 22). Nach der – insoweit nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung – ist dem Versicherer des Schädigers eine Mindestzeit zur Recherche und Durchführung der Regulierung zuzugestehen (OLG Saarbrücken zfs 1991, 16: "Eine nach vier Wochen eingereichte Klage ist nicht zur Unzeit erhoben"; LG Zweibrücken zfs 2016, 198: Im Regelfall Regulierungsfrist von drei bis vier Wochen).
Rz. 366
Soweit demgegenüber das LG Oldenburg (DAR 1999, 76) erklärt hat, "dem Haftpflichtversicherer ist zumindest dann ein Bearbeitungs- und Prüfungszeitraum von sieben Wochen einzuräumen, wenn vorher eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakten nicht möglich war", ist das nicht nur im Hinblick auf die Gefahr einer Verzögerungstaktik (siehe Rdn 72 ff., 270), auch in den unsinnigsten Fällen zunächst die Ermittlungsakte anzufordern, unangebracht. Eine solche Rechtsansicht ist inzwischen auch ganz sicher vollkommen überholt, haben doch auch die meisten Gerichte schon gemerkt, wie deren Arbeitsbelastung infolge der verzögerlichen Regulierungspraxis zugenommen hat, was dort zu entsprechender Verärgerung geführt hat.
Rz. 367
Eine solche Regulierungstaktik hat in der Regel nur ein einziges Ziel: Die Zahlung der berechtigten Schadensersatzansprüche soll so lange wie möglich hinausgezögert werden (Stichwort: Zinsgewinn zugunsten der Versicherer). Wenn jedoch darauf geachtet wird, die zuvor erwähnten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach Ablauf der ersten gesetzten kalendermäßig bestimmten Zahlungsfrist auch tatsächlich geltend zu machen, könnte diese Verzögerungstaktik vielleicht sehr schnell beendet sein.
Rz. 368
Eine frühere Klageerhebung – also vor Ablauf von vier Wochen – ist gefährlich. Sie könnte als unangemessen gewertet werden und kann bei sofortigem Anerkenntnis der Gegenseite gem. § 93 ZPO zur vollen Kostentragungspflicht führen, sicherlich ein Regressfall für den Anwalt. Allerdings sollte den Gerichten klar gemacht werden, dass Versicherer bei anwaltlich vertretenen Geschädigten möglicherweise bewusst langsam regulieren, um negative Zeichen gegenüber dem Geschädigten zu setzen nach dem Motto: Das nächste Mal ohne Anwalt, dann geht es schneller. Daher kann die Antwort nur eine rasche Klageerhebung sein, auch wenn es die Gerichte belastet. Nach einer jüngsten Entscheidung (OLG Karlsruhe VersR 2020, 377) dürfte bei fehlender Reaktion auf mehrere Anwaltsschreiben ein Anlass zur Klageerhebung i.S.d. § 93 ZPO vorliegen, sodass ein "sofortiges Anerkenntnis" für den Versicherer mit Kostenlast des Geschädigten dann nicht mehr möglich ist, unabhängig von der Frage, ob die übliche Regulierungsfrist bei Klageerhebung bereits abgelaufen war.
Rz. 369
Diese überflüssige Belastung der Gerichte haben allein die verzögerlich regulierenden Versicherer zu vertreten, und das muss den Gerichten klar gemacht werden. Das gilt insbesondere, wenn nach der Klageerhebung offenbar werden sollte, dass von Seiten des Versicherers "Klagepoker" gespielt wurde, d.h. sich der Sachbearbeiter dachte: "Schauen wir doch mal, ob der Anwalt nur blufft und gar keine Rechtsschutzversicherung dahinter steht; dann können wir ja immer noch anerkennen!" Eine solche Art des Taktierens ist eine Zumutung für uns Anwälte, aber auch für die ohnehin schon völlig überlasteten Gerichte.
Vgl...