Rz. 371

Jedenfalls aber dann, wenn die letzte gesetzte Frist verstrichen ist, immer noch keine oder nur eine unbefriedigende Antwort des Versicherers des Schädigers vorliegt und auch noch nichts gezahlt worden ist, bleibt nur noch der Klageweg. Das ist zunehmend erforderlich, da die Regulierungsgeschwindigkeit bei den Versicherern wegen übermäßiger Personaleinsparungen einerseits, bei anwaltlicher Vertretung des Geschädigten andererseits (siehe vorstehend) ohnehin merklich abgenommen hat.

 

Rz. 372

Bei der Klageerhebung sind folgende Punkte zu beachten:

Ist der gegnerische Versicherer wirklich ein Kfz-Haftpflichtversicherer (KH) oder ein allgemeiner Haftpflichtversicherer (AH)? – z.B., wenn Gegner Fußgänger, Radfahrer, Hundehalter, Eltern von Kindern, Kfz-Betrieb usw. sind. Nur ein Kfz-Haftpflichtversicherer ist gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG unmittelbar verklagbar, ein AH-Versicherer nur bei der Pflichtversicherung in den neuen seltenen Ausnahmefällen gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 VVG (Insolvenz oder unbekannter Aufenthalt des Versicherungsnehmers)!
Ist der gegnerische Haftpflichtversicherer zutreffend und korrekt bezeichnet?
 

Beachte

Eine Vielzahl von Versicherungskonzernen verfügen hinsichtlich der Kfz-Sparte über unterschiedliche, jeweils juristisch selbstständige Unternehmen, nämlich insbesondere für Angehörige des öffentlichen Dienstes oder den Internetvertrieb, wie z.B. bei der HUK-Coburg der Versicherungsverein a.G. (für den öffentlichen Dienst), die Allgemeine Versicherungs-AG (für sonstige Versicherungsnehmer) und die HUK24 AG (für den Internet-Direktvertrieb). In diesen Fällen dürfen entgegen der regelmäßigen Angabe im Briefkopf der Unternehmen niemals etwa die "HUK-Coburg Versicherungen" verklagt werden, sondern es muss der konkrete Versicherer zutreffend mit vollständigem Namen und Rechtsform angegeben werden. Dieser findet sich in der Korrespondenz übrigens regelmäßig nach der Grußformel unter der Unterschrift.
Sollte hier doch einmal ein Fehler passiert sein, kann prozessual nur noch versucht werden, eine Rubrumsänderung zu erwirken oder Kostennachteile mit dem Argument zu vermeiden, dass der (falsche) Versicherer evident nur scheinbar verklagt war (hierzu jüngst OLG Karlsruhe VersR 2020, 249).

Wenn Fahrer und Halter auf der Passivseite personenverschieden sind:

Klage auf materielle Ansprüche und – dies ist eine ganz wichtige Regelung, die durch das 2. Schadensrechtsänderungsgesetz eingeführt wurde – immaterielle Ansprüche können sich gegen Fahrer und/oder Halter und/oder Versicherer richten. Es kann jetzt (dies gilt für alle Unfälle seit dem 1.8.2002) also auch der Halter eines Kraftfahrzeugs auf Schmerzensgeld verklagt werden, da nunmehr gem. § 11 StVG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB Schmerzensgeldansprüche auch aus Gefährdungshaftung herzuleiten sind.

Wenn auf der Aktivseite ebenfalls Halter und Fahrer personenverschieden sind, sollte aus prozesstaktischen Gründen möglichst nicht der gegnerische Halter mitverklagt werden, um der Gegenseite die Möglichkeit zu nehmen, mit einer Widerklage den diesseitigen Fahrer als – wohlmöglich einzigen – Zeugen auszuschalten, es sei denn, der Halter ist zugleich Zeuge. Zwar gelingt das pfiffigen gegnerischen Anwälten dennoch, indem sie die Ansprüche des Halters an den Fahrer abtreten lassen und ihn so in die Lage einer Widerklagemöglichkeit versetzen. Aber: Nicht jeder Anwalt ist so pfiffig oder denkt daran.
 

Rz. 373

 

Tipp

Nur der Kraftfahrthaftpflicht-Versicherer kann direkt auf Schadensersatz verklagt werden.
Nur in den neuen äußerst seltenen gesetzlichen Ausnahmefällen bei einer Pflichtversicherung (Insolvenz oder unbekannter Aufenthalt des Versicherungsnehmers gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3 VVG) einen Allgemeinen Haftpflichtversicherer auf Schadenersatz verklagen!
Wenn auf beiden Seiten Halter und Fahrer personenverschieden sind, prüfen, ob der gegnerische Halter verklagt werden soll.
 

Rz. 374

Hinsichtlich des Gerichtsstands gilt, dass immer dann, wenn auf der Passivseite Halter und/oder Fahrer des gegnerischen Fahrzeuges und der zuständige Versicherer verklagt werden, sich der Gerichtsstand nach § 32 ZPO richtet, also der gemeinsame Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Unfallort) gegeben ist. Will man den Prozess am Kanzleiort anhängig machen, gibt es neben der – oft nur schwer zu realisierenden – Prorogation (§ 38 ZPO) bzw. rügelosen Verhandlung gem. § 39 ZPO nur die Möglichkeit, allein denjenigen auf der Passivseite zu verklagen, der seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk des Anwaltes hat.

 

Rz. 375

 

Tipp

Oft ist es streitentscheidend, bei welchem Richter der Rechtsstreit geführt wird. Es empfiehlt sich daher ein Blick in den Geschäftsverteilungsplan des zuständigen Gerichts, um festzustellen, welcher Richter für welchen Buchstaben zuständig ist. Da sich diese Zuständigkeit oftmals nach dem Anfangsbuchstaben des ersten Beklagten richtet, kann es von entscheidender Bedeutung sein, wen man auf der Beklagtenseite als ersten benennt (Fahrer, Halt...

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