(a) Gegner Bürger der EU und EWR-Staaten
Rz. 291
Die seit dem 1.1.2003 geltenden neuen, auf der 4. KH-Richtlinie des Europäischen Parlaments beruhenden gesetzlichen Bestimmungen des "Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften" (BGBl I 2002 S. 2586 ff.) haben wesentliche Verbesserungen bei Unfällen im Gebiet der EU und in den EWR-Staaten Lichtenstein, Island und Norwegen gebracht.
(aa) Außergerichtliche Regulierung
Rz. 292
Jeder (ausländische) Versicherer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat einen "Schadenregulierungsbeauftragten" gegenüber jedem Mitgliedsland der EU, hier also gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, zu benennen (§ 7b Versicherungsaufsichtsgesetz). Dessen Anschrift ist über die "Auskunftsstelle" zu erhalten. Die Funktion der "Auskunftsstelle" hat in Deutschland der "Zentralruf der Autoversicherer" (§ 8a Abs. 3 PflVG) übernommen, der unter folgender Adresse zu erreichen ist:
GDV Dienstleistungs-GmbH & Co KG,
"Zentralruf der Autoversicherer",
Glockengießerwall 1,
20095 Hamburg,
Tel.: 08 00 / 2 50 26 00,
Fax: 0 40 / 33 96 54 01,
www.zentralruf.de
Sie ist zur Auskunft über alle Daten betreffend das gegnerische Fahrzeug verpflichtet, wenn der Geschädigte seinen Wohnsitz im Inland hat und sich der Unfall im Inland ereignet hat, unabhängig davon also, ob der Unfallgegner Deutscher oder Ausländer ist (§ 8a Abs. 1 S. 2 PflVG). Sie erhält die erforderlichen Daten von den Zulassungsbehörden und den in den Mitgliedstaaten errichteten und anerkannten dortigen Auskunftsstellen.
Rz. 293
Mit der Umsetzung der 4. KH-Richtlinie wird im Prinzip das bekannte System der "Grünen Karte", das die Regulierung von Inlandsunfällen mit Ausländerbeteiligung regelt, auf Unfälle übertragen, die sich innerhalb der EU ereignen. Jeder ausländische Versicherer ist verpflichtet, in jedem Mitgliedstaat einen Schadenregulierungsbeauftragten zu benennen. Viele Versicherer haben sich hierzu ihrer im Ausland ansässigen Partnerversicherer oder sonstiger Regulierungsbüros bedient.
Rz. 294
Der Geschädigte kann dann seine Ansprüche in seinem Wohnsitzstaat bei einem Regulierungsbeauftragten anmelden. Mit ihm kann stets in der Landessprache des Geschädigten korrespondiert werden. Dieser Regulierungsbeauftragte ist dann verpflichtet, die Schadensersatzansprüche nach dem Recht des EU-Mitgliedstaates, dem der Schädiger angehört, zu regulieren.
Rz. 295
Um einen akzeptablen zeitlichen Rahmen der Regulierung sicherzustellen, verlangt das Gesetz, dass der Schadenregulierungsbeauftragte innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Anmeldung der Ansprüche ein mit Gründen versehenes Schadensersatzangebot vorlegt, wenn die Eintrittspflicht unstreitig ist und der Schaden beziffert wurde. Oder er muss innerhalb dieser Frist die Ansprüche zurückweisen, wenn die Haftung bestritten ist oder der Schadensumfang nicht eindeutig feststeht (§ 12a Abs. 1 Nr. 1 PflVG).
Rz. 296
Wird ein Repräsentant nicht benannt oder verzögert sich die Regulierung über die vorgenannte Frist hinaus bzw. kann das Fahrzeug oder das Versicherungsunternehmen nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Unfall ermittelt werden, sind die Ansprüche gegen die neu eingerichtete "Entschädigungsstelle für Schäden aus Auslandsunfällen" geltend zu machen (§ 12a Abs. 1 PflVG). Die Aufgaben und Befugnisse der Entschädigungsstelle werden von dem Verein Verkehrsopferhilfe in Berlin wahrgenommen (§ 13a Abs. 1 PflVG). Dessen Adresse lautet:
Verkehrsopferhilfe e.V.
Wilhelmstraße 43/43 G
10117 Berlin,
Tel.: 0 30 / 20 20 – 58 58
Fax: 0 30 / 20 20 – 57 22,
www.verkehrsopferhilfe.de.
Rz. 297
Die Entschädigungsstelle benachrichtigt dann unverzüglich das betroffene ausländische Versicherungsunternehmen, seinen Schadenregulierungsbeauftragten (soweit vorhanden), die Entschädigungsstelle des Mitgliedstaates, in dem die Versicherungspolice ausgestellt wurde sowie den Unfallverursacher persönlich, soweit dieser bekannt ist (§ 12a Abs. 2 PflVG). Sie weist die Beteiligten darauf hin, dass sie den Schaden auf Kosten des betroffenen Versicherers regulieren wird, wenn binnen weiterer zwei Monate keine begründete Stellungnahme erfolgt (§ 12a Abs. 3 PflVG). Reagiert der Versicherer wiederum nicht, wird die Entschädigungsstelle des Mitgliedstaates, in dem die Police ausgestellt ist, Regress nehmen (§ 13b PflVG). Der Forderungsübergang kann aber nicht zum Nachteil des Ersatzpflichtigen geltend gemacht werden.
Rz. 298
Die Entschädigungsstelle im Wohnsitzstaat des Geschädigten übernimmt auch die Regulierung der Ansprüche, die gegen einen Garantiefonds in einem anderen EU-Staat gerichtet werden können. Jeder EU-Staat muss einen dem deutschen "Verein Verkehrsopferhilfe" vergleichbaren Garantiefonds eingerichtet haben. Die Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denjenigen, unter denen bisher Ansprüche gegenüber dem Verein Verkehrsopferhilfe geltend gemacht werden konnten. Die Entschädigungsstelle muss sich auch dann mit der Regulierung befassen, wenn das Fahrzeug aus einem Drittland stammt, der Unfall sich jedoch in einem EU-Staat ereignete.
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