Rz. 217
Die Frage nach einer etwaig bestehenden Vollkaskoversicherung des Mandanten und der Selbstbeteiligung ist seit Anfang 1996 fast nur noch für den Geschädigten und dessen Anwalt von Bedeutung, nachdem fast alle Teilungsabkommen zwischen den Haftpflicht- und Kaskoversicherern gekündigt sind und eine sich daraus ergebende interne Möglichkeit des Schadenausgleiches entfällt.
(1) Bedeutung für das Quotenvorrecht
Rz. 218
Für den beratenden Anwalt ist diese Frage aber wegen einer Regulierungsmöglichkeit nach dem Quotenvorrecht (im Einzelnen dazu siehe § 6 Rdn 26 ff.) von besonderer Bedeutung. Auch in Fällen nicht unerheblicher Mithaftung auf Seiten des Mandanten kann oftmals (hinsichtlich der quotenbevorrechtigten Ansprüche) eine 100 %ige Regulierung immer noch erreicht werden, wenn die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen und sodann mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer nach dem Quotenvorrecht abgerechnet wird.
(2) Krankes Versicherungsverhältnis beim Unfallgegner
Rz. 219
Eine besondere Bedeutung kommt der Vollkaskoversicherung in den Fällen zu, in denen der gegnerische Versicherer dem VN (Unfallgegner) den Versicherungsschutz entzogen hat. Das ist z.B. der Fall, wenn der Gegner seine Versicherungsprämie nicht gezahlt hat (Prämienverzug), das schädigende Fahrzeug gestohlen war, der Gegner keine gültige Fahrerlaubnis besaß oder der Fahrer gegen die Alkoholklausel des § 2b Abs. 1e AKB bzw. D.2.1 AKB 2008 verstoßen hat.
Rz. 220
In diesen Fällen kommt § 117 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 2 VVG zur Anwendung. Das bedeutet, dass der Geschädigte, sofern er über eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegenüber Dritten verfügt, vorrangig diese in Anspruch zu nehmen hat. Eine solche anderweitige Ersatzmöglichkeit ist auch das Bestehen einer Vollkaskoversicherung. Der Geschädigte hat demnach seinen Schaden zunächst über seine Vollkaskoversicherung abzuwickeln, und lediglich der Restschaden ist dann vom gegnerischen Versicherer zu regulieren.
Rz. 221
Durch eine Inanspruchnahme der Kaskoversicherung allein aufgrund von § 117 Abs. 3 S. 2 VVG wird der Schadensfreiheitsrabatt des Geschädigten in der Kaskoversicherung nicht belastet.
Rz. 222
Tipp
Sobald der gegnerische Versicherer das kranke Versicherungsverhältnis des Gegners mitgeteilt hat, muss der Anwalt den Fahrzeugschaden sofort beim Vollkaskoversicherer unter Hinweis auf die Mitteilung des gegnerischen Versicherers zur Regulierung anmelden und diesen bitten, eine schriftliche Kaskoabrechnung zu erteilen. Dabei sollte er auf den Umstand einer "§-117-VVG-Inanspruchnahme" noch einmal ausdrücklich hinweisen, damit der Schadensfreiheitsrabatt in der Kaskoversicherung des Mandanten nicht belastet wird. Die schriftliche Kaskoabrechnung ist an den gegnerischen Versicherer zu übersenden, damit dieser dann die Restschadenregulierung übernehmen kann. Dazu gehören auch die Anwaltskosten, die dem Mandanten für die Kaskoregulierung entstanden sind.