Rz. 161
Der Anwalt kann und sollte sich nicht dagegen wehren, dass er von außenstehenden Personen weiterempfohlen wird. In Abgrenzung dazu muss er aber das Werbeverbot und das übrige Berufsrecht beachten.
aa) Stapelvollmacht und Visitenkarten
Rz. 162
Ein Mandat, das aufgrund einer Stapelvollmacht (d.h. der Anwalt hat bei Werkstatt, Mietwagen- oder Abschleppunternehmen "vorsorglich" einen Stapel seiner Vollmachten zur schnellen und unmittelbaren Mandatserteilung deponiert) erteilt wurde, ist heutzutage nach neuer Auffassung nicht mehr rechtswidrig und deshalb auch nicht mehr nichtig, es sei denn, es handelt sich um eine Mandatserteilung im Rahmen eines "Unfallhelferringes" (BGH DAR 1994, 314; OLG Nürnberg NZV 1992, 366; AG Jena DAR 1994, 366; Hartung, BerufsO, 3. Aufl. 2006, Rn 180). Die früher in diesem Zusammenhang bestehende Rechtslage, die das Deponieren von Stapelvollmachten und Visitenkarten untersagt hatte, gilt allerdings noch in Ausnahmefällen fort. Dem Rechtsanwalt ist es nämlich unbenommen, seine Visitenkarte an eine potentielle Klientel zu verteilen. Wenn er die Karte an einen Dritten weitergibt, damit er sie verteile, dann macht der Dritte nichts, was dem Anwalt selbst verboten wäre. Auch die Weitergabe an einen größeren, sogar unbestimmten Personenkreis ist zulässig. Das Deponieren von Stapelvollmachten ist demgemäß nur dann noch unzulässig, wenn der Rechtsanwalt weiß, dass der Dritte in einer unsachlichen oder sonst für Anwälte verbotenen Weise für ihn Werbung treiben wird.
Rz. 163
Es ist also keine Frage der Seriosität mehr, Vollmachten zu hinterlegen. Es ist auch keineswegs mehr erforderlich, dass der Mandant zwingend bei dem Anwalt erscheinen muss, um das Mandat in rechtlich einwandfreier Weise zu begründen. Die Schwellenangst der Geschädigten, von der die Werkstätten immer berichten, kann also dadurch überwunden werden, dass die Werkstatt den "Fragebogen für Anspruchsteller" gemeinsam mit dem Geschädigten ausfüllt und ihn eine Vollmacht des von der Werkstatt empfohlenen Anwaltes unterschreiben lässt. Diese Unterlagen können dann gemeinsam mit der Abtretungserklärung, dem Gutachten und der Rechnung an den "Vertragsanwalt" oder "Vertrauensanwalt" der Werkstatt übersandt werden. Wenn es Rückfragen oder Beratungsbedarf gegenüber dem Kunden/Mandanten gibt, kann das telefonisch geklärt werden. Außerdem kann die Bevollmächtigung eines Anwaltes auch nicht allein deshalb als unwirksam angesehen werden, weil sie auf eine verbotene, gegen das RBerG bzw. RDG verstoßende Rechtsbesorgung durch z.B. ein Mietwagenunternehmen zurückgeht (OLG Karlsruhe NZV 1995, 3).
Rz. 164
Selbstverständlich dürfen also heute Werkstätten, Sachverständige und Mietwagenunternehmen auch bestimmte Anwälte empfehlen, z.B. solche, mit denen sie stets zusammenarbeiten oder mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Werbung durch andere ist nicht zu beanstanden.
Rz. 165
Auch darf der Anwalt z.B. die Werbemittel der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV mit dem Aufdruck seiner eigenen Adresse verwenden und bei Werkstätten pp. auslegen. Diese Werbemittel können über das Internet unter www.verkehrsrecht.de "Werbemittel" bestellt werden.
bb) Vollmachterteilung durch andere
Rz. 166
Hiervon abzugrenzen ist die Vollmachterteilung im Auftrage des Geschädigten durch einen anderen, z.B. weil der Geschädigte im Krankenhaus liegt und selbst nicht erscheinen kann oder aufgrund der Empfehlung eines anderen, den der Geschädigte bittet, das Mandat zu erteilen.
Rz. 167
In solchen Fällen sollte allerdings stets eine durch den Geschädigten selbst unterschriebene Vollmacht angefordert werden, um jedem Risiko anzweifelbarer oder zweifelhafter Bevollmächtigung aus dem Wege zu gehen.
Rz. 168
Tipp
Akquisitorische Bemühungen bei Werkstätten, Mietwagen- und Abschleppunternehmen usw. dürfen so weit gehen, dass diese den Anwalt empfehlen. Das Mandat selbst sollte aber stets aus freien Stücken erteilt und in jedem Falle durch Unterzeichnung einer Vollmacht dokumentiert werden.