Rz. 326
Die alleinige Regulierungsbefugnis gem. § 10 Abs. 5 AKB bzw. A.1.1.4 AKB 2008 verbleibt aber stets bei dem Versicherer. Er allein entscheidet über die Art und Weise der Regulierung gegnerischer Schadenersatzansprüche. Er allein hat auch das Prozessführungsrecht (§ 7 II Abs. 5 AKB bzw. E.2.4 AKB 2008) und das Recht der Bestimmung des Prozessanwalts. Häufig wird der Versicherer im Passivprozess aber auf den ihm bekannten Anwalt des VN zurückgreifen.
Rz. 327
Der Versicherungsnehmer, der auf der Passivseite einen Anwalt seiner Wahl ohne Abstimmung mit seinem Versicherer mit der Prozessführung beauftragt, begeht grundsätzlich eine Obliegenheitsverletzung und muss demzufolge das auf ihn entfallende Prozesskostenrisiko selbst tragen.
Rz. 328
Beachte
Ein Anwalt, der unter Missachtung dieses Prozessführungsrechtes des Versicherers gleichwohl das Mandat annimmt und den Mandanten über das Prozessführungsrecht seines Versicherers nicht aufklärt, hat keinen Gebührenanspruch gegen den Mandanten. Es liegt dann ein klares Beratungsverschulden des Anwaltes mit diesbezüglicher Regresspflicht vor (BGH VersR 1985, 83).
Rz. 329
Im Falle des Obsiegens besteht darüber hinaus kein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Gegner, da es sich insoweit um nicht notwendige Prozesskosten handelt (OLG Köln zfs 1984, 107; OLG München zfs 1984, 13).
Rz. 330
Es wird aber vereinzelt auch eine andere Auffassung vertreten: Sind in einem Kfz-Haftpflichtprozess Halter, Fahrer und Versicherer verklagt worden und hat z.B. der Halter für sich einen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellt, bevor er Kenntnis von der Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten durch den Versicherer erlangt hat, so sollen dessen Kosten grundsätzlich erstattungsfähig sein (KG NZV 1998, 467). Voraussetzung ist allerdings, dass kein rechtsmissbräuchliches Verhalten – aus der Sicht des Gegners – vorliegt.
Rz. 331
Anders ist das allerdings, wenn die Problematik eines gestellten Unfalls im Raume steht. Dann kann für den Haftpflichtversicherer des Beklagtenfahrzeuges eine Vertretung des Fahrers gem. § 10 Abs. 5 AKB bzw. A.1.1.4 AKB 2008 ausscheiden. In solchen Fällen tritt dann der Versicherer zur Vermeidung eines Versäumnisurteils dem Rechtsstreit als Nebenintervenient bei und beantragt Klageabweisung (OLG Karlsruhe NZV 1998, 508). Dann benötigt der verklagte Fahrer allein schon deshalb einen eigenen Anwalt, weil der beklagte Haftpflichtversicherer seine Vertretung im Passivprozess logischerweise nicht mit übernimmt (vgl. § 5 Rdn 108 ff.).
Rz. 332
Seitens der Versicherer wird auf die Wünsche des VN nach Prozessführung durch den Anwalt seines Vertrauens häufig Rücksicht genommen, dies aber verständlicherweise nur dann, wenn dem Versicherer der VN-Anwalt auch bekannt gemacht worden ist.
Rz. 333
Allerdings bedienen sich die Versicherungen zunehmend einzelner, meist überregional tätiger Großkanzleien, die deren gesamtes Prozessaufkommen bearbeiten. Die wiederum bedienen sich dann, wenn Verhandlungs- und/oder Beweisaufnahmetermine bei dem örtlichen Prozessgericht wahrzunehmen sind, meist dort vor Ort tätiger Anwälte als Unterbevollmächtigte. Dabei nehmen die Versicherungen dann keinerlei Rücksicht auf die Wünsche des VN im Hinblick auf den "Anwalt seines Vertrauens", so wirtschaftlich und sachlich unsinnig das auch sein mag. In einem solchen Fall sind also alle Bemühungen, das Mandat dann auch auf der Passivseite zu führen, aussichtslos.
Rz. 334
Das gilt sogar dann, wenn der VN selbst noch Widerklage erheben will oder seinerseits schon selbst aktiv klagt. Dann sind plötzlich zwei verschiedene Anwälte auf der jeweiligen Seite des VN tätig, was sicherlich wirtschaftlich und von der Sache her unsinnig sein dürfte, dem VN und meist auch dem Gericht nicht gefällt, zumal derlei auswärtige Kanzleien in der Regel weder über die oft entscheidenden Ortskenntnisse noch über die Kenntnis der örtlichen Rechtsprechung verfügen dürften. Erheblich sind dann auch später die kostenrechtlichen Probleme in Rahmen der Kostenfestsetzung.
Rz. 335
Eine Ausnahme liegt allenfalls dann vor, wenn im schriftlichen Vorverfahren wegen der gesetzten Notfrist gem. § 276 Abs. 1 ZPO ein Versäumnisurteil droht und eine vorherige Kontaktaufnahme mit dem Versicherer nicht möglich war (z.B. wenn wegen vermeintlicher Eindeutigkeit der Rechtslage mit einer Klage des Gegners nicht gerechnet und demzufolge – entgegen vorstehender Ratschläge – auf eine Schadenmeldung an den Versicherer verzichtet wurde oder weil der Mandant seine Schadensersatzansprüche selbst reguliert hat und erst nach Erhalt der Klage anwaltlichen Rat sucht).
Rz. 336
Liegt innerhalb der Notfrist keine Weisung des Versicherers vor, ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen gem. § 331 Abs. 3 ZPO die Verteidigungsanzeige in entsprechender Anwendung des § 7 II Abs. 4 AKB bzw. E.2.5 AKB 2008 zu erstatten. Die hierdurch entstehenden Anwaltskosten dürften dann zumindest aus dem Gesichtspunkt einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zu Lasten des Ver...