Rz. 225

Wie z.B. im Ausgangsfall (siehe Rdn 5) sind die Fragen nach den behandelnden Ärzten und deren Adressen für die weitere Schadensregulierung von Wichtigkeit.

 

Rz. 226

Bei dieser Gelegenheit sollte sich der Anwalt auch zugleich eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben lassen. Diese benötigt er, um eigene Auskünfte bei den behandelnden Ärzten zu erhalten. Sie wird aber auch vom Versicherer des Unfallgegners benötigt, damit dieser die üblichen Arztberichte anfordern kann.

 

Rz. 227

Obwohl allein der Geschädigte verpflichtet ist, Art und Umfang seiner Verletzungen nachzuweisen, sind die Versicherer üblicherweise bereit, die Arztberichte von dort aus anzufordern. Das hat praktische Gründe: Jeder Versicherer hat seine eigenen Gutachtenformulare, auf denen die Fragen stehen, die ihn speziell interessieren. Jeder Sachbearbeiter findet auf Anhieb die Fragen wieder, die ihn interessieren, weil er "sein" Formular kennt.

 

Rz. 228

Leider sind diese Formulare von Versicherer zu Versicherer sämtlich völlig unterschiedlich. Zu einer einheitlichen Gestaltung – wie z.B. bei dem oben erwähnten "Fragebogen für Anspruchsteller" des DAV – konnte sich auf Versichererseite noch niemand durchringen.

 

Rz. 229

Auf den "Homburger Tagen" 1996 (Mutschler, in: Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV, Bd. 18, S. 29 ff.) wurde angeregt, vereinheitlichte EDV-kompatible Fragebögen zu entwickeln, die in den Arztpraxen ebenso wie von Anwälten und Versicherern verwendet werden könnten. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese gute Idee verwirklichen lässt. Bislang ist sie leider nicht realisiert worden. Jeder Versicherer verwendet seine eigenen Fragebögen, was oft zu langem Suchen nach den wichtigen und oft nur allein interessierenden Punkten führt.

 

Rz. 230

Einige Versicherer haben sich aber schon etwas Neues einfallen lassen und dies soll möglicherweise bald allgemeine Praxis der Versicherer werden: Sie lehnen es ab, die üblichen Arztberichte zur Schmerzensgeldregulierung anzufordern, sondern verlangen mit Hinweis auf die Nachweispflicht der Geschädigten, dass diese solche Berichte selbst beibringen.

 

Rz. 231

Das hat katastrophale Auswirkungen für die Praxis: Der Anwalt klärt den Geschädigten über dessen (rechtlich ja tatsächlich gegebene) Nachweispflicht auf und bittet ihn, den Arztbericht oder auch nur ein Attest zu besorgen. Der Mandant wendet sich mit dieser Bitte an seinen Arzt. Der weiß nicht, welche Fragen er beantworten soll, dies sei, so sagt er, auch nicht seine Aufgabe. Wenn überhaupt, solle der Anwalt ihn anschreiben und den Bericht anfordern. Der Anwalt verweigert das mit Hinweis darauf, dass er ja auch nicht wisse, welche Fragen der Versicherer beantwortet haben möchte, und es sei sowieso nicht seine Aufgabe. Eine nochmalige Bitte an den Versicherer wird dort erneut abschlägig beschieden.

 

Rz. 232

Es bleibt dann nur die Möglichkeit, das Gutachten nach einem eigenen, frei formulierten Fragenkatalog erstellen zu lassen, ggf. auch in Form eines (kostenträchtigeren) Facharztgutachtens. Dann stellt sich aber die Frage, ob der Anwalt, der ja so eine Aufgabe des Geschädigten übernimmt, zu der der Geschädigte – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage ist (wie soll der Mandant wissen, welche Fragen an den Arzt zu stellen sind und wie diese formuliert werden müssen?) dafür nicht einen eigenen und gesonderten Honoraranspruch gegenüber dem Mandanten hat, den der dann wiederum an den gegnerischen Versicherer zum Ausgleich weiterleiten kann. Dies dürfte zu bejahen sein!

Oder es wird sofort Klage erhoben. Diese kann dann allerdings auch nur mit sehr mageren Angaben zu Art und Umfang der Verletzungen erfolgen, ggf. auch nur als Feststellungsklage.

 

Rz. 233

Wozu führen aber all diese konstruierten Schwierigkeiten? Im Falle eines Prozesses würde der Arzt vorgeladen, als Zeuge aussagen und der Prozess ginge mit einem Urteil zu Ende. Die Kosten hätten sich für den Versicherer nun mindestens verzehnfacht und der Arzt, der viele solcher Unfallopfer behandelt, würde häufig in seiner Praxis fehlen und es wohlmöglich ablehnen, solche Beurteilungen weiterhin durchzuführen. Die Geschädigten bleiben – wieder einmal – auf der Strecke. So etwas passiert, wenn die Versicherungen um jeden Preis auf Kosten anderer sparen wollen!

 

Rz. 234

Motiv für die Versicherer, keine Arztberichte mehr einzuholen, ist nämlich ausschließlich eine weitere Kosteneinsparung. Für von ihnen angeforderte Arztberichte verlangen die Ärzte angeblich vermehrt Honorarvereinbarungen, die oft doppelt oder dreifach so hoch liegen wie die Honorare für von den Patienten selbst angeforderte Berichte. Dieser Einsparung wegen provozieren leider einige Versicherer den zuvor beschriebenen Aufwand. Dabei ist es nach der Rechtslage vollkommen gleichgültig, wie viel ein Arztgutachten kostet: Da der Geschädigte nachweispflichtig ist, ist ihm auch der dazu erforderliche Aufwand zu ersetzen. Die Grenze wird erst wieder durch das Gebot zur Schadensgeringhaltung gesetzt. Ein sol...

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