Rz. 215
Die Fragebögen enthalten noch weitere Punkte, die alle von gewisser Bedeutung für die weitere Schadensregulierung sind.
aa) Vorsteuerabzugsberechtigung
Rz. 216
Die Frage nach der Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten ist insofern von Bedeutung (und der Geschädigte daher zur Beantwortung verpflichtet), als im Falle deren Vorliegens alle mit Mehrwertsteuer belegten Schadensersatzansprüche lediglich netto ausgeglichen werden, auch die Anwaltsgebühren. Wegen der Mehrwertsteuerbeträge ist dann nicht der Schädiger, sondern der Mandant eintrittspflichtig. Die Nichtberücksichtigung dieses Umstandes kann also eine erhebliche Regressgefahr für Anwälte darstellen. Die Benutzung von Schadenfragebögen, die hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung nicht differenzieren, ist also gefährlich.
bb) Vollkaskoversicherung
Rz. 217
Die Frage nach einer etwaig bestehenden Vollkaskoversicherung des Mandanten und der Selbstbeteiligung ist seit Anfang 1996 fast nur noch für den Geschädigten und dessen Anwalt von Bedeutung, nachdem fast alle Teilungsabkommen zwischen den Haftpflicht- und Kaskoversicherern gekündigt sind und eine sich daraus ergebende interne Möglichkeit des Schadenausgleiches entfällt.
(1) Bedeutung für das Quotenvorrecht
Rz. 218
Für den beratenden Anwalt ist diese Frage aber wegen einer Regulierungsmöglichkeit nach dem Quotenvorrecht (im Einzelnen dazu siehe § 6 Rdn 26 ff.) von besonderer Bedeutung. Auch in Fällen nicht unerheblicher Mithaftung auf Seiten des Mandanten kann oftmals (hinsichtlich der quotenbevorrechtigten Ansprüche) eine 100 %ige Regulierung immer noch erreicht werden, wenn die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen und sodann mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer nach dem Quotenvorrecht abgerechnet wird.
(2) Krankes Versicherungsverhältnis beim Unfallgegner
Rz. 219
Eine besondere Bedeutung kommt der Vollkaskoversicherung in den Fällen zu, in denen der gegnerische Versicherer dem VN (Unfallgegner) den Versicherungsschutz entzogen hat. Das ist z.B. der Fall, wenn der Gegner seine Versicherungsprämie nicht gezahlt hat (Prämienverzug), das schädigende Fahrzeug gestohlen war, der Gegner keine gültige Fahrerlaubnis besaß oder der Fahrer gegen die Alkoholklausel des § 2b Abs. 1e AKB bzw. D.2.1 AKB 2008 verstoßen hat.
Rz. 220
In diesen Fällen kommt § 117 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 2 VVG zur Anwendung. Das bedeutet, dass der Geschädigte, sofern er über eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegenüber Dritten verfügt, vorrangig diese in Anspruch zu nehmen hat. Eine solche anderweitige Ersatzmöglichkeit ist auch das Bestehen einer Vollkaskoversicherung. Der Geschädigte hat demnach seinen Schaden zunächst über seine Vollkaskoversicherung abzuwickeln, und lediglich der Restschaden ist dann vom gegnerischen Versicherer zu regulieren.
Rz. 221
Durch eine Inanspruchnahme der Kaskoversicherung allein aufgrund von § 117 Abs. 3 S. 2 VVG wird der Schadensfreiheitsrabatt des Geschädigten in der Kaskoversicherung nicht belastet.
Rz. 222
Tipp
Sobald der gegnerische Versicherer das kranke Versicherungsverhältnis des Gegners mitgeteilt hat, muss der Anwalt den Fahrzeugschaden sofort beim Vollkaskoversicherer unter Hinweis auf die Mitteilung des gegnerischen Versicherers zur Regulierung anmelden und diesen bitten, eine schriftliche Kaskoabrechnung zu erteilen. Dabei sollte er auf den Umstand einer "§-117-VVG-Inanspruchnahme" noch einmal ausdrücklich hinweisen, damit der Schadensfreiheitsrabatt in der Kaskoversicherung des Mandanten nicht belastet wird. Die schriftliche Kaskoabrechnung ist an den gegnerischen Versicherer zu übersenden, damit dieser dann die Restschadenregulierung übernehmen kann. Dazu gehören auch die Anwaltskosten, die dem Mandanten für die Kaskoregulierung entstanden sind.
cc) Daten zum Fahrzeugschaden
Rz. 223
Soweit ein Sachverständiger mit der Schadensschätzung beauftragt worden ist, werden die Adressangaben über den bereits beauftragten Kfz-Sachverständigen benötigt. Gegebenenfalls muss der Geschädigte darauf hingewiesen werden, dass ein Sachverständigengutachten erforderlich ist und ihm sind Adressen von – öffentlich bestellten – Sachverständigen zu benennen. Es empfiehlt sich, den Sachverständigen zu benennen, mit dem der Anwalt vertrauensvoll zusammenarbeitet.
Rz. 224
Vorsicht ist geboten bei hauseigenen Sachverständigen der Assekuranz oder bei Sachverständigenorganisationen, die der Versicherungswirtschaft nahestehen (z.B. der DEKRA, CarExpert). Es steht zu befürchten, dass solche Gutachten im Sinne der Auftraggeber und für den Geschädigten schlechter ausfallen könnten, als es nach der Schätzung durch einen öffentlich bestellten, unabhängigen Sachverständigen der Fall wäre.
dd) Daten der Verletzten
Rz. 225
Wie z.B. im Ausgangsfall (siehe Rdn 5) sind die Fragen nach den behandelnden Ärzten und deren Adressen für die weitere Schadensregulierung von Wichtigkeit.
Rz. 226
Bei dieser Gelegenheit sollte sich der Anwalt auch zugleich eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben lassen. Diese benötigt er, um eigene Auskünfte bei den behandelnden Ärzten zu erhalten. Sie wird aber auch vom Versicherer des Unfallgegners benötigt, damit dieser die üblichen Arztberichte anfordern kann.
Rz. 227
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