Rz. 9

Falls der Vollmachtgeber sich nicht mehr artikulieren kann oder bereits verstorben ist, kann das persönliche Umfeld befragt werden, ob es Personen gibt, die beim Vollmachtgeber ein und aus gingen und denen er anscheinend besonderes Vertrauen entgegenbrachte. Ist der Vollmachtgeber verstorben und hatten die Erben nur wenig Kenntnis vom Sozialleben des Erblassers, gibt es für die Suche nach möglichen Bevollmächtigten folgende Anknüpfungspunkte.

Die Befragung von Nachbarn, dem Pflegepersonal (besonders in Pflegeheimen), dem Hausmeister und anderen Personen aus dem häuslichen Umfeld des Erblassers gibt in aller Regel einen ersten Anhaltspunkt für die Art und Intensität von Kontakten.

Eine Überprüfung von E-Mails, Telefonlisten im Handy und Adressbüchern des Erblassers sollte in einem zweiten Schritt unternommen werden. Viele Menschen können alte Freundschaften oft nur noch über das Telefon pflegen. Hier anzurufen ist jeden Versuch wert, weil diese alten Freunde oft viel mehr wissen als die eigene Familie und genauer Auskunft über die Gewohnheiten des Erblassers geben können.

 

Hinweis

Auf Computern und Mobiltelefonen sind oft wichtige Kontaktdaten enthalten, die man auswerten kann. Auch Telefonrechnungen mit Einzelverbindungsnachweisen können aufschlussreich sein.

War der Erblasser in sozialen Netzwerken wie Facebook oder WhatsApp unterwegs, können auch diese Daten aufschlussreich sein, wenn sich Wortwechsel auf Vermögensangelegenheiten beziehen.[5]

 

Rz. 10

Bei Vereinsmitgliedschaften kann man beim Vorstand oder anderen Vereinsmitgliedern anrufen und sich erkundigen, mit wem der Erblasser besonders viel Kontakt hatte.

Kondolenzschreiben sind eine weitere Erkenntnisquelle, der man nachgehen kann.

Wer als Rechtsanwalt das Umfeld des Erblassers erkunden will, sollte entsprechende Telefonate und Gespräche mit einigem Fingerspitzengefühl angehen.

 

Rz. 11

 

Hinweis

Beim Stichwort "Rechtsanwalt" reagieren viele Menschen argwöhnisch und befürchten diffuse Schwierigkeiten. Daher sollte man einen freundlichen Ton anschlagen und betonen, dass da noch einige offene Fragen zu klären seien und man für jeden Hinweis dankbar sei. Auf keinen Fall sollte man Dritten gegenüber darlegen, welche rechtlichen Schritte man gegen wen durch alle Instanzen führen werde. Außer der Problematik des nicht gewahrten Mandatsgeheimnisses besteht auch Ungewissheit, ob Dritte nicht die Bevollmächtigten warnen können und so Beweismittel verloren gehen.

Es lohnt sich auch, in diesem Zusammenhang Notizen zu machen, weil möglicherweise die Befragten in einem späteren Prozess als Zeugen für bestimmte Verfügungen des Erblassers bzw. seines Bevollmächtigten in Frage kommen könnten.

[5] Zur Vererbbarkeit des sog. Digitalen Nachlasses vgl. BGH, 12.7.2018 – III ZR 183/17, NJW 2018, 3278.

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