Rz. 94

Betriebsänderungen sind in aller Regel eine Folge komplexer betriebswirtschaftlicher, technischer oder strategischer Überlegungen. Aus diesem Grund wurde mit dem Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes dem Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, auch ohne nähere Vereinbarung mit dem Arbeitgeber einen Berater zu seiner Unterstützung hinzuzuziehen. Dies soll, abweichend vom zeitaufwendigeren Verfahren bei der Hinzuziehung von Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG dafür sorgen, dass der Betriebsrat diesen schnellstmöglich zur Verfügung hat. Der Betriebsrat soll damit in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen einer geplanten Betriebsänderung rasch zu erfassen und in kurzer Zeit mit Hilfe eines externen Sachverstands fundierte Alternativvorschläge vor allem für eine Beschäftigungssicherung so rechtzeitig zu erarbeiten, dass er auf die Entscheidung des Arbeitgebers noch Einfluss nehmen kann.[113] Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist auch hier die Unternehmensgröße. Der Wortlaut stellt ausdrücklich nicht auf die Betriebsgröße ab. Konsequenterweise können damit auch Betriebsräte in Betrieben, in denen weniger als 300 Arbeitnehmer beschäftigt werden, einen Berater nach dieser Bestimmung hinzuziehen, wenn in dem Unternehmen, zu dem der Betrieb gehört, mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Da die Schwelle von 300 Arbeitnehmern eingezogen worden ist, um der Kostenrelevanz der Hinzuziehung eines Beraters Rechnung zu tragen, kann sich auch der Betriebsrat eines kleineren Betriebes in einem größeren Unternehmen darauf berufen. Gleiches gilt auch in einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen gem. § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG, wenn im gemeinsamen Betrieb zwar mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt sind, jedoch in den einzelnen Trägerunternehmen weniger als 300 Arbeitnehmer. Hier ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden, da der gemeinsame Betrieb in seiner Gesamtheit durch die Kosten nicht übermäßig belastet wird. Die Kostentragungslast trifft den gemeinsamen Betrieb. Die Unternehmen, die diesen betreiben, können die Kosten untereinander aufteilen. So findet keine übermäßige Kostenbelastung statt.[114]

 

Rz. 95

Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur sieht den Gegenstand der Beratertätigkeit lediglich im "Ob" und "Wie" der Betriebsänderung, also im Bereich des Interessenausgleichs. Abgelehnt wird dagegen die Anwendbarkeit der Vorschrift und die Hinzuziehung des Beraters ohne Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beim Sozialplan.[115] Dies überzeugt jedoch nicht. Auch wenn es sich bei Interessenausgleich und Sozialplan um unterschiedliche Gegenstände handelt,[116] ist die Beschränkung der Hinzuziehung des Beraters zum Interessenausgleich gleichwohl nicht überzeugend. Es ergibt sich gerade nicht aus der systematischen Stellung, dass sich der Berater lediglich auf den Interessenausgleich zu beschränken hat. In der gesamten Beratungsphase geht es letztlich darum, dass der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über das "Ob" und "Wie" der geplanten Betriebsänderung verhandelt und möglichst zu einem Interessenausgleich kommt. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Sonderregelung ein unbürokratisches Hinzuziehen von externem Sachverstand bei Betriebsänderungen ermöglichen, da gerade diese in der Regel mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sind oder andere wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer nach sich ziehen und ein schnelleres Reagieren erfordern. Ohne die Möglichkeit, schnell und kompetent auf die geplanten Betriebsänderungen reagieren zu können, könne der Betriebsrat gerade in Krisensituationen den ihm erteilten Auftrag, die Beschäftigung zu sichern und zu fördern, nicht erfüllen.[117] Hierbei können Interessenausgleich und Sozialplan jedoch nicht voneinander getrennt werden. Nach der gesetzgeberischen Konzeption kann der Unternehmer letztlich alleine über eine Betriebsänderung befinden. Der Interessenausgleich ist nicht erzwingbar. Über die drohende finanzielle Belastung durch den Sozialplan jedoch soll der Arbeitgeber dazu ­gebracht werden, seine Entscheidungen in einer möglichst schonenden Form umzusetzen. Somit stehen Interessenausgleich und Sozialplan in einem systematischen und auch funktionalen Zusammenhang.[118] Auch der erzwingbare Sozialplan ist also ein Mittel zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Entscheidung des Unternehmers im Sinne der sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer. Damit ist jedoch auch der Sozialplan ein Mittel, um das gesetzgeberische Ziel, nämlich den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, die Beschäftigung möglichst zu sichern, zu erreichen.[119]

 

Rz. 96

Da sich das Gesetz zur Person des Beraters nicht näher äußert, ist eine formale Qualifikation nicht nötig. Die Aufgabe des Beraters ist es, die fehlende Sachkunde des Betriebsrates zu ersetzen, ihn also hinsichtlich konkreter Fragestellungen zu beraten, um ihn in die Lage zu versetzen, die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sachkundig führen zu können.[120] Er muss als...

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