Dr. iur. Tobias Spanke, Karl-Ludwig Kerscher
A. Begriff
Rz. 1
Unter dem Begriff "erbrechtliches Mandat" ist der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag zu lebzeitigen Übergaben, zur Ausgestaltung der Erbfolge oder zur Vertretung von Interessen nach Eintritt des Erbfalls zu verstehen. Der Rechtsuchende beauftragt den Rechtsanwalt und wird mit Vertragsabschluss dessen Auftraggeber und Mandant. Mit der Erteilung des Mandats legt er ihm die Beratung oder Vertretung in die Hand und schenkt ihm das notwendige Vertrauen.
Rz. 2
Der Anwalt wird mandatiert. Aus dem Auftragsverhältnis, auch Mandatsverhältnis genannt, schuldet er dem Mandanten die Erbringung vereinbarter Leistungen, also Vertragspflichten. Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus. Er ist Vertreter der Interessen seines Mandanten.
Der Notar hingegen erhält keinen Auftrag. An ihn als Amtsperson wird ein Ersuchen gerichtet. Der Ersuchende wünscht die Amtshandlung des Notars als Inhaber eines Amtes. Die Amtshandlung besteht in erster Linie in der Beurkundung von Willenserklärungen. Der Ersuchende wird zum Beteiligten. Der Notar erfüllt keine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Ersuchenden, sondern Amtspflichten.
Rz. 3
Der Anwalt ist Vertreter der Interessen seines Mandanten. Nur gegenüber seinem Mandanten ist er verpflichtet.
Der Notar hingegen ist unparteiisch. Er darf nicht den Anschein geben, Interessen der Beteiligten zu dienen. Der Notar hat die Pflicht, die Beteiligten "unparteiisch zu betreuen." Diese Pflicht gilt nicht nur gegenüber dem Ersuchenden, sondern gegenüber allen an der Amtshandlung Beteiligten.
Rz. 4
Der Rechtsuchende im Erbrecht steht vor der Frage, ob er zur Lösung seines Problems den Rechtsanwalt oder den Notar auswählt. Diese Frage ist ohne Kenntnis des unterschiedlichen Berufsbildes und den sich daraus ergebenden Folgerungen nicht zu lösen.
B. Der Anwalt im Erbrecht
I. Die Entwicklung in den letzten 20 Jahren
Rz. 5
Die Einführung des Fachanwalts für Erbrecht bewirkte eine deutliche Zuwendung vieler Anwälte zum Erbrecht. Die erbrechtliche Literatur ist sprunghaft angestiegen. Bis heute sind die Fachlehrgänge zum Erwerb der Zugangsvoraussetzungen wie Fortbildungsveranstaltungen auf allen Gebieten des Erbrechts stark nachgefragt.
1. Fachanwalt für Erbrecht
Rz. 6
Die Fachanwaltsordnung (FAO) ist am 11.3.1997 in Kraft getreten. Der Fachanwalt für Erbrecht hat besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen nachzuweisen. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn diese auf dem Fachgebiet das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird (§ 2 Abs. 1 und 2 FAO).
Der Fachanwalt für Erbrecht ist nahezu immer sowohl im gestaltenden Erbrecht ("vor dem Erbfall"), wie auch "nach dem Erbfall", sowohl außergerichtlich wie auch gerichtlich im – ggf. streitigen – Verfahren des FamFG wie auch vor den ordentlichen Gerichten tätig. Dort sammelt er Erfahrungen, die ihm bei der treffsicheren Gestaltung in besonderem Maße nützlich sind. Denn nur in Kenntnis der praktischen Abwicklung eines Erbfalls kann der Jurist gesicherte Erkenntnisse darüber gewinnen, ob die mit Bezug zum Erbfall getroffenen Maßnahmen, insbesondere ein Testament oder ein Erbvertrag, ohne oder mit begleitenden Verfügungen wie z.B. Anordnungen in Übergabeverträgen zur Ausgleichung unter Abkömmlingen und/oder zur Anrechnung auf den Pflichtteil, Erbverzichts- oder Pflichtteilsverzichtsverträge, die Wahl oder Änderung eines bestimmten Güterrechtsvertrags u.a., sich als hilfreich oder als abträglich erwiesen haben.
2. Fachanwalt für Erbrecht mit Zusatzqualifikation
Rz. 7
Nicht selten tritt zum Fachanwalt für Erbrecht noch eine weitere fachanwaltliche Qualifikation hinzu, wie z.B. Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht oder Fachanwalt für Steuerrecht. "Spezialist für Erbrecht" darf sich ein Fachanwalt für Erbrecht zusätzlich nur nennen, wenn er Kenntnisse und Erfahrungen nachweisen kann, die den Fachanwalt auf allen Teilgebieten des Erbrechts, die Voraussetzung für die Fachanwaltsbezeichnung sind, nicht nur unerheblich übersteigen. Für die Bezeichnung "Zertifizierter Testamentsvollstrecker" bedarf es neben nachgewiesenen theoretischen Kenntnissen zusätzlich einer nicht unerheblichen praktischen Erfahrung als Testamentsvollstrecker.
3. Kanzleien für Erbrecht und Vermögensnachfolge
Rz. 8
Zahlreiche Kanzleien in Deutschland sind nach ihrer Bezeichnung ausschließlich oder ganz überwiegend im Erbrecht tätig, einige auch mit mehreren Fachanwälten für Erbrecht.
II. Die aktuelle Entwicklung
1. Weitere Tätigkeitsbereiche der auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwälte
Rz. 9
Durch die starke Zuwendung zum Erbrecht betätigen sich die auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte neben ihrer Anwaltstätigkeit in vielfältiger Weise, so
1. |
als Gründer erbrechtlicher Vereinigungen |
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als Autoren im Erbrecht |
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als Referenten in Fachanwaltslehrgängen zum FA für Erbrecht |
4. |
als Fachreferenten für Erbrecht allgemein |
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als Vorsorgeanwalt |
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als in der Vorsorge selbst aktiv Tätige und gewinnen so eigene praktische Erfahrungen, die sie in die Gestaltung der Alter... |