Dr. iur. Christian Deckenbrock, Dr. iur. Roman Jordans
Rz. 103
Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) hat – in Umsetzung der EU-Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADR-Richtlinie) – zum Ziel, neben den bereits bestehenden Schlichtungsstellen etwa bei Banken und Versicherungen Verbraucherschlichtungsstellen für alle Streitigkeiten aus Verbraucherverträgen zu etablieren. Insbesondere sollen Verbrauchern durch die Schlichtungsstellen außergerichtliche Lösungen für Beschwerden über Waren oder Dienstleistungen, die online oder in einem Laden erworben wurden, angeboten werden.
Rz. 104
Die Schlichtungsstellen können privat, etwa von Wirtschaftsverbänden, getragen werden und sich auf eine bestimmte Branche spezialisieren; ergänzend sind staatliche Auffangschlichtungsstellen vorgesehen. Das Gesetz regelt Kriterien und Verfahren zur Anerkennung als Streitbeilegungsstelle. Der Gesetzgeber verlangt dabei, dass der Streitmittler entweder über die Befähigung zum Richteramt verfügt oder zertifizierter Mediator ist (§ 6 Abs. 2 S. 2 VSBG). Einheitlich zuständige Stelle ist nach § 27 Abs. 1 VSBG das Bundesamt für Justiz (BfJ). Zu den anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen zählen beispielsweise die Schlichtungsstelle für gewerbliche Versicherungs-, Anlage- und Kreditvermittlung. Hier handelt es sich um eine vom BfJ anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle i.S.d. § 14 Abs. 3 UKlaG sowie des § 11 Finanzschlichtungsstellenverordnung. Ähnliches gilt für die Ombudsstelle für Sachwerte und Investmentvermögen e.V. Eine Liste der vom BfJ anerkannten Schlichtungsstellen ist online einsehbar. Ein erster Bericht des BMJV über Erfahrungen mit dem VSBG ist ebenfalls online abrufbar.
Rz. 105
Die Streitigkeiten vor den Schlichtungsstellen sollen in höchstens 90 Tagen beigelegt werden (§ 20 VSBG). Für Verbraucher ist die Tätigkeit der Schlichtungsstelle – anders als für Unternehmer – i.d.R. kostenlos; bei missbräuchlich gestellten Anträgen kann ihnen aber eine Gebühr i.H.v. 30 EUR auferlegt werden (§ 31 Abs. 3 VSGB). Zwar sind Unternehmer nicht verpflichtet, an Verfahren vor Verbraucherschlichtungsstellen teilzunehmen. Haben sie sich jedoch grundsätzlich für eine Teilnahme entschieden, müssen sie ihre Käufer über die Möglichkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle informieren und nach Entstehen der Streitigkeit den Hinweis von sich aus wiederholen (§§ 36 f. VSBG).
Rz. 106
Der Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle hemmt die Verjährung des fraglichen Anspruchs (§ 204 Nr. 4 BGB). Das außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren schließt den Zugang zu den staatlichen Gerichten nicht aus (§ 5 Abs. 2 VSBG). Ist jedoch durch Landesgesetz bestimmt, dass eine Klage erst nach einem erfolglosen Vermittlungsversuch erhoben werden kann (obligatorisches Güteverfahren nach § 15a Abs. 3 S. 3 EGZPO, siehe dazu oben Rdn 10), muss der Kläger die Bescheinigung über den erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einreichen.
Rz. 107
Hier ist vom Anwalt zu prüfen, welche landesrechtlichen Vorgaben einschlägig sind. Da es in keinem Landesgesetz mehr ein Schlichtungserfordernis für Geldforderungen gibt, dürfe der Anwendungsbereich dieser Regelung überschaubar sein.