Rz. 88

Neben der obligatorischen vorgerichtlichen Streitschlichtung nach § 15a EGZPO i.V.m den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen gibt es zahlreiche andere Arten der alternativen Streitbeilegung. Manche davon beruhen vollständig auf Freiwilligkeit, bei manchen ist jedenfalls für die Anbieterseite die Teilnahme verpflichtend und bei wieder anderen ist ggf. die Bindungswirkung nur für eine Seite gegeben.

 

Rz. 89

Dabei sind manche dieser Verfahren solche i.S.d. § 15a Abs. 3 EGZPO, deren – erfolglose – Nutzung einen obligatorischen Schlichtungsversuch überflüssig macht.

 

Rz. 90

Im Folgenden sollen einige der relevanten Verfahren zur Streitbeilegung in Abgrenzung zu den Verfahren nach § 15a EGZPO aufgezeigt werden.

I. Gerichtliche Maßnahmen

1. Gütliche Einigung nach § 278 Abs. 1 ZPO

 

Rz. 91

Die ZPO kennt seit Inkrafttreten ein eigenes richterliches Bemühen um gütliche Erledigung des Rechtsstreits.[141] Auch während eines Rechtsstreits kann es also zu einer gütlichen Einigung kommen.

[141] MüKo-ZPO/Münch, vor § 1025 Rn 32a.

2. Obligatorischer Gütetermin nach § 278 Abs. 2 ZPO

 

Rz. 92

Noch weiter geht § 278 Abs. 2 ZPO, nach dem ein obligatorischer Gütetermin vorgesehen ist. Der Gütetermin ist nicht erforderlich im Falle einer anderweitig erfolglosen Schlichtung oder wenn die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos erscheint.[142]

[142] MüKo-ZPO/Münch, vor § 1025 Rn 35.

3. Exkurs: Sonderfall gerichtsinterne Mediation

 

Rz. 93

Für eine Zeit lang gab es die Möglichkeit der sogenannten gerichtsnahen oder gerichtsinternen Mediation: Speziell ausgebildete, staatliche Richter übernahmen die Streitsache zur Mediation; währenddessen ruhte der Prozess. Dieser Ansatz ist als Modell jedoch durch die Vorgaben des § 9 MediationsG[143] ausgelaufen.[144] Nunmehr kann das in § 278 Abs. 5 ZPO verankerte sogenannte "erweiterte" Güterichtermodell genutzt werden, das prozessual "Güteversuche vor einem bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter" (S. 1) auch unter Einbeziehung von Mediation ermöglicht.[145]

[143] Mediationsgesetz vom 21.7.2012, BGBl I S. 1577; dazu Henssler/Deckenbrock, DB 2012, 159 ff.
[144] § 9 Übergangsbestimmung:

(1) Die Mediation in Zivilsachen durch einen nicht entscheidungsbefugten Richter während eines Gerichtsverfahrens, die vor dem 26.7.2012 an einem Gericht angeboten wird, kann unter Fortführung der bisher verwendeten Bezeichnung (gerichtlicher Mediator) bis zum 1.8.2013 weiterhin durchgeführt werden.

[145] MüKo-ZPO/Münch, vor § 1025 Rn 36.

4. Exkurs: Schuldnerberatung/Verbraucherinsolvenzverfahren

 

Rz. 94

Mit der Einführung der InsO wurde zum 1.1.1999 auch das Verbraucherinsolvenzverfahren[146] geschaffen, das die Möglichkeit der Restschuldbefreiung für den redlichen Schuldner bietet. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Eröffnungsantrag zunächst eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplanes vergeblich versucht hat.[147] Das Verhandlungsgebot ist gleichfalls ein verordnetes vorgeschaltetes Zulässigkeitserfordernis.[148]

[148] MüKo-ZPO/Münch, vor § 1025 Rn 37.

II. Freiwillige Schlichtung

1. Auf gesetzlicher Basis

a) Schiedsamt

 

Rz. 95

Verschiedene Bundesländer haben neben oder an Stelle der Ausführungsgesetze zu § 15a EGZPO eingerichtete vorprozessuale Schlichtungsstellen aufgrund sogenannter Schiedsmannsordnungen.[149]

 

Rz. 96

Dort werden private, ehrenamtlich tätige Personen eingesetzt. Neben einer strafrechtlichen Funktion haben diese zivilrechtlich die Funktion einer landesrechtlich anerkannten Gütestelle i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Ein möglicher Vergleich ist damit zugleich Vollstreckungstitel und ein Antrag hemmt die Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB).[150]

[149] Siehe hierzu aktuell Thewes, NJW-aktuell 19–2018, 17.
[150] MüKo-ZPO/Münch, vor § 1025 Rn 38.

b) Sonstige gesetzesgemäß verordnete Schlichtungen

 

Rz. 97

Es gibt vermehrt gesetzesgemäß verordnete Schlichtungen, die entweder unmittelbar behördlich organisiert sind oder eine Vorhaltepflicht für die Unternehmensseite vorsehen.

 

Rz. 98

Die Regelungen schaffen allerdings für den Kunden lediglich Möglichkeiten der Streitschlichtung und keine Verpflichtungen zur Inanspruchnahme (sog fakultative Schlichtung). Der Begriff "verordnet" meint also die Errichtung (Angebot), nicht etwa die Benutzung (Annahme). Der Zugang zu Gericht bleibt konsequent mithin unberührt.

 

Rz. 99

Beispiele für solche Schlichtungsstellen sind etwa im Versicherungsrecht, Bankrecht oder Luftverkehrsrecht zu finden.[151]

[151] Siehe hierzu die weiteren Nachweise bei MüKo-ZPO/Münch, vor § 1025 Rn 45 ff.

aa) ODR-VO

 

Rz. 100

Die Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-VO)[152] schafft eine alternative Streitbeilegung für den elektronischen Geschäftsverkehr zur Förderung des Wachstums und des Vertrauens in den Binnenmarkt.

 

Rz. 101

Dadurch wurde eine unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire außergerichtliche Möglichkeit zur Beilegung von Streitigkeiten zur Verfügung gestellt, die sich aus dem grenzüberschreitenden Online-Verkauf von Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen innerhalb der gesamten Union ergeben. Die ODR-VO gilt seit dem 9.1.2016 für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten, bei denen die in der Union wohnhaft...

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