Rz. 62

Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats entfällt ein vorhandenes Schlichtungserfordernis auch dann nicht, wenn ein schlichtungsbedürftiger Antrag im Wege der anfänglichen objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Bei einer Klagehäufung seien grundsätzlich die Prozessvoraussetzungen für jeden einzelnen Antrag gesondert zu prüfen. Die Gegenauffassung[95] würde eine Möglichkeit zur einfachen Umgehung des Einigungsversuchs eröffnen, die der Zielsetzung des Gesetzgebers widerspräche, durch die Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen die Gerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen. Deshalb hätte es für den Gesetzgeber nahe gelegen, wie bei den §§ 5, 25 ZPO eine Abweichung vom oben genannten Grundsatz zu regeln, wenn er eine solche für den Fall des obligatorischen Schlichtungsverfahrens gewollt hätte.[96] Von der anfänglichen Klagehäufung ist der Fall der nachträglichen Klagehäufung zu unterscheiden, die grundsätzlich nicht die Durchführung eines (weiteren) Schlichtungsverfahrens erfordert (Rdn 71).

 

Rz. 63

Entsprechende Grundsätze gelten nach VI. Senat auch für den Fall der subjektiven Klagehäufung. Hier sei aus denselben Gründen wie bei der objektiven Klagehäufung die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens grundsätzlich erforderlich, weil zu den verschiedenen Beklagten jeweils ein gesondertes Prozessrechtsverhältnis bestehe. Wird daher der im Mahnverfahren nur gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer geltend gemachte Anspruch mit der Anspruchsbegründung im Klageverfahren auf den Versicherungsnehmer erweitert, ist die gegen diesen erhobene Klage als unzulässig abzuweisen, wenn vor der Parteierweiterung das grundsätzlich erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist.[97]

 

Rz. 64

Bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist das Schicksal einer Klage, bei der im Wege der Klagehäufung zwei schlichtungsbedürftige Anträge verbunden worden sind, aber nur hinsichtlich des einen Antrags ein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist. Nach einer Entscheidung des LG Dortmund soll es nicht sachgerecht sein, die Kläger auf ein weiteres zeit- und kostenaufwendiges Schlichtungsverfahren zu verweisen. Denn das Ziel des § 15a EGZPO und der entsprechenden Landesschlichtungsgesetze, die Zivilgerichte durch ein vorgeschaltetes obligatorisches Schlichtungsverfahren zu entlasten, ist in diesem Fall, in dem die Schlichtung jedenfalls hinsichtlich eines konnexen Antrages bereits erfolglos geblieben und die Streitigkeit bei Gericht anhängig geworden ist, nur noch in unwesentlichem Maße zu erreichen. Hierin liege ein entscheidender Unterschied zu den vom BGH entschiedenen Sachverhalten.[98]

[95] Siehe (vor der BGH-Entscheidung) etwa LG Aachen, Beschl. v. 11.3.2002 – 6 T 6/02, NJW-RR 2002, 1439; Bitter, NJW 2005, 1235, 1237 f.; Deckenbrock/Jordans, JA 2004, 913, 915; Friedrich, NJW 2002, 3223 f.
[98] LG Dortmund, Urt. v. 8.6.2017 – 1 S 451/15, NZM 2018, 251, 252.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge