Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 4
Erst das erste EheRG vom 14.6.1976 führte mit Wirkung vom 1.7.1977 allgemein an Stelle des Verschuldensprinzips das Zerrüttungsprinzip in das Scheidungsrecht ein. Eine Ehe konnte von nun an geschieden werden, wenn sie gescheitert war, unabhängig davon, aus welchen Gründen dies geschah.
Rz. 5
Dem bis dahin geltenden Recht war die einverständliche Scheidung unbekannt. Im gegenseitigen Einvernehmen konnten Ehegatten die gerichtliche Auflösung ihrer Ehe nur dadurch erreichen, dass sie sich über die vorzutragenden Eheverfehlungen absprechen und dem Gericht einen – häufig fingierten – Auszug aus ihrem Eheleben vortragen (Konventionalscheidung).
Rz. 6
Diesem Missstand sollte durch die Einführung der einverständlichen Scheidung abgeholfen werden. Gleichzeitig war man sich darüber einig, dass der übereinstimmende Scheidungswille der Ehegatten für sich allein zur Scheidung nicht ausreichen sollte.
Hinzu treten sollte eine mindestens einjährige Trennung der Ehegatten, die den Nachweis des Scheiterns der Ehe ersetzen sollte. In der Begründung des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts heißt es dazu wörtlich: "Die Trennung ist erforderlich, um übereilte Scheidungen, insbesondere jüngerer Eheleute, zu verhindern".
Rz. 7
Die Begründung zur Notwendigkeit mindestens einjähriger Trennungszeit war allerdings widersprüchlich. Auf der einen Seite hieß es, dass Richter nicht in der Lage seien, den Grad des Auseinanderlebens zutreffender zu beurteilen als die Eheleute selbst, wenn sie in ihre Einschätzung der Situation übereinstimmten. Es sei auch nicht gerechtfertigt, sich über den übereinstimmenden Willen beider Ehegatten hinwegzusetzen. Auf der anderen Seite wurde die Notwendigkeit einjährigen Getrenntlebens damit begründet, dass es "nicht mit der Freiheit der richterlichen Entscheidung zu vereinbaren" sei, wenn ein Richter gezwungen sei, eine Ehe aufgrund der übereinstimmenden Erklärung der Ehegatten aufzulösen. Der Richter könne eventuell erkennen, dass noch begründete Aussicht auf Versöhnung der Ehegatten bestünde.
Entweder ist der Richter nicht in der Lage, den Grad des Auseinanderlebens zutreffender zu beurteilen als die Eheleute selbst oder aber er dürfe sich auch über die übereinstimmenden Erklärungen der Ehegatten hinwegsetzen. Den Grund für die mindestens einjährige Trennung liefert dann die Begründung des Gesetzgebers selbst: "Eine andere Lösung höhlt … den Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit aus.".
Diese Grundsätze des Gesetzgebers gelten bis heute.
Rz. 8
Mit der Abkehr vom Verschuldensprinzip wurde gleichzeitig die unterhaltsrechtliche Stellung des geschiedenen Ehegatten verbessert. Er musste nicht mehr das überwiegende Verschulden des anderen Ehegatten am Scheitern der Ehe darlegen und beweisen.
Anknüpfungspunkt für Unterhaltsansprüche war daher nicht mehr die Unschuld und das Festhalten an der Ehe, sondern die Grundsätze der ehelichen und der nachehelichen Solidarität, die Ehegatten einander schulden.
Der Trennungsunterhaltsanspruch wurde in § 1361 BGB, der nacheheliche Unterhaltsanspruch in §§ 1569 ff. BGB geregelt.
Rz. 9
Seit dem 1.7.1977 gab es schließlich auch erstmals den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Ehegatten nach Scheidung der Ehe. In § 1569 BGB in der Fassung seit dem 1.7.1977 hieß es, dass ein Ehegatte gegen den anderen Ehegatten ein Anspruch auf Unterhalt hat, wenn er nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann. Die dieser Vorschrift folgenden Regelungen in den §§ 1570 bis 1575 BGB regelten dann – erstmals – in konkreter, dezidierter Weise die Voraussetzungen für die verschiedenen Unterhaltstatbestände.