Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
I. Die Rolle des Rechtsanwalts
1. Vorbemerkung
Rz. 15
Seneca hat einmal erklärt:
Aliena vitia in oculis habemus, a tergo nostra sunt! (Fremde Fehler sehen wir, die unsrigen aber nicht!)
Wir würden Fehler in unserer anwaltlichen Tätigkeit nicht begehen, hätten wir sie zuvor als solche erkannt.
Rz. 16
Fehlerbeispiel
Leben die Ehepartner in der gemeinsamen Wohnung getrennt (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB), bildet die Mietzahlung z.B. durch den Unterhaltsverpflichteten bei Ermittlung seines bereinigten Nettoeinkommens keinen Abzugsposten. Beim Berechtigten kann sie ab Trennung nicht mehr als Naturalleistung angesetzt werden, da Unterhalt ab Trennung ausschließlich durch Geldrente zu erbringen ist (§ 1361 Abs. 4 S. 1 BGB). Die Mietzahlung ist anteilig entsprechend der Wohnungsaufteilung mit dem ermittelten Unterhalt zu verrechnen. Der Berechtigte erhält vom Unterhalt nur den um den anteiligen Mietanteil gekürzten Betrag ausbezahlt. Der Verpflichtete zahlt die gesamte Miete unmittelbar an den Vermieter.
Rz. 17
Rechenbeispiel
Eheleute leben getrennt in der gemeinsamen Mietwohnung; Miete 500 EUR; bereinigtes Einkommen Ehemann M 2.500 EUR; Ehefrau F arbeitet nicht und versorgt das 2-jährige Kind.
Lösung:
Unterhaltspflicht M: 346,50 EUR Kindesunterhalt (gem. Einkommensgruppe 4 Düsseldorfer Tabelle) sowie 969 EUR Trennungsunterhalt, insgesamt 1.315,50 EUR. Davon sind 3/5 Mietkosten abzuziehen (je 2 Teile Erwachsene, 1 Teil Kind), also 300 EUR. M zahlt die Miete direkt und muss noch 669 EUR Trennungsunterhalt zuzüglich 346,50 EUR Kindesunterhalt zahlen, also insgesamt 1.015,50 EUR.
Fehler:
Abzug der Miete vom Einkommen und anschließende Berechnung des Unterhalts; also: 2.500 EUR ./. 500 EUR Miete = 2.000 EUR; abzüglich 346,50 EUR Zahlbetrag für das Kind, ergibt 1.653,50 EUR und davon 45 % Anteil macht einen Trennungsunterhalt aus in Höhe von 744 EUR, insgesamt also 1.090,50 EUR.
2. Die Grundsätze der Haftung
Rz. 18
Der BGH hatte zu den grundsätzlichen Pflichten des Rechtsanwalts und demgemäß zum Rahmen seiner Haftung 1968 – und später immer wieder – erklärt:
Zitat
"Nach fester Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt, soweit sein Auftraggeber nicht unzweideutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Es ist Sache des Anwalts, dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind. Er hat Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Der Anwalt muss dem Mandanten auch – anders als der Notar – über mögliche wirtschaftliche Gefahren des beabsichtigten Geschäfts belehren."
Damit unterscheidet sich im Wesentlichen die Belehrungspflicht des Rechtsanwalts von derjenigen des Notars dadurch, dass der Rechtsanwalt zusätzlich über mögliche wirtschaftliche Gefahren des beabsichtigten Geschäfts belehren muss.
Aber nicht nur die "umfassende Belehrung" wurde (und wird) vom BGH gefordert; bis das Bundesverfassungsgericht 2002 den Anforderungen des BGH entgegen getreten ist, musste der Rechtsanwalt sogar in geeigneten Fällen die Verantwortung für fehlerhafte Urteile der Gerichte übernehmen. Sodann hat aber das BVerfG erklärt, dass Rechtsanwälte nicht ersatzweise für Fehler der Rechtsprechung (haften), nur weil sie haftpflichtversichert sind:
Zitat
Die Gerichte sind verfassungsrechtlich nicht legitimiert, den Rechtsanwälten auf dem Umweg über den Haftpflichtprozess auch die Verantwortung für die richtige Rechtsanwendung zu überbürden, indem ihnen angelastet wird, es pflichtwidrig unterlassen zu haben, das Gericht auf dessen falsche Rechtsauffassung hinzuweisen.“
Im Rahmen der Mitwirkung bei dem Abschluss von Vereinbarungen im Familienrecht auch in notarieller Form ist entscheidend die Befreiung des Notars von der Haftung bei Mitwirkung von Rechtsanwälten, denn:
Hinweis
Der Rechtsanwalt, der bei dem Zustandekommen eines Ehevertrages mitwirkt, haftet (!) für eine vollständige und richtige Niederlegung des Willens seines Mandanten und für einen möglichst eindeutigen und nicht erst der Auslegung bedürftigen Wortlaut. Der Notar haftet in diesen Fällen zunächst nicht, weil sich seine Haftung auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen "keine anderweitige Ersatzmöglichkeit" gegeben ist, Subsidiaritätsprinzip, § 19 Abs. 1 S. 2 BnotO.
Der Rechtsanwalt verbleibt daher auch bei notarieller Beurkundung bei seiner eigenen Haftung, die sich ausweitet auf den gesamten Text der (notariellen) Vereinbarung. Dies führt dazu, dass in jedem Fall von Vereinbarungen die unbeschränkte Haftung des beratenden Rechtsanwalts eintritt.